Das Erbe des Blutes - Roman
wie du ja weißt. Es ist nur so, dass ich hier’ne Gelegenheit für dich sehe, na ja, und für mich natürlich auch, ein paar Scheinchen bei der Presse lockerzumachen. Kent hat mir gesagt, die hätten jemanden in Gewahrsam. Ich helfe ihm ein bisschen, Terry Cables Hintergrund zu durchleuchten, ein paar Verwandte aufzutreiben. Er ist schon dabei, was über sein verkorkstes Leben zusammenzustellen, wie er zum Killer wurde. Er hat aus’ner vertrauenswürdigen Quelle erfahren, dass Cable schuldig ist und angeklagt wird.«
»Das hab ich auch gehört«, log Nigel.
»Die Sache ist nur, dass Kent unbedingt rauskriegen will, was es mit dem historischen Hintergrund genau auf sich hat. Wieso bist du da ins Spiel gekommen? Was spielt die Familiengeschichte für eine Rolle? Wäre auf jeden Fall’ne Exklusivgeschichte und - lass mich das mal so sagen: die Vergütung könnte sich sehen lassen.«
Nigel schüttelte langsam den Kopf.
»Und wenn du mit Kent nicht zurechtkommst - der ist ja nun auch nicht jedermanns Fall -, ich kenne noch jede Menge andere Reporter, die für so’ne Geschichte ohne zu zögern ihre eigene Tochter verkaufen würden.«
Nigel wollte einfach nur mit seiner Suche weitermachen. Wenn er Duckworth noch mal anginge, würde er wohl rausfliegen. Er konnte natürlich auch ins FRC gehen, aber bis er in der U-Bahn einmal quer durch London gejuckelt war, bliebe ihm kaum noch Zeit, etwas zu erreichen.
»Ich hab doch ganz deutlich gesagt, dass ich nicht interessiert
bin, Dave. Jetzt lass mich einfach in Ruhe. Du musst doch bestimmt noch ein bisschen Dreck über die Vorfahren irgendwelcher B-Promis aufdecken.«
Duckworth schüttelte den Kopf, als könnte er Nigels Mangel an Geschäftssinn nicht fassen.
»Tatsächlich«, schniefte er, »hab ich außer dieser Cable-Geschichte noch einen ziemlich einträglichen Privatauftrag. Mach ein paar Nachforschungen für den Mann; schon seit ein paar Monaten. Bin gerade dabei, mich durch ein paar Aufzeichnungen der Metropolitan Police zu wühlen. Bislang hatte ich aber noch nicht viel Glück.«
»Schön für dich«, sagte Nigel und starrte weiter auf den Bildschirm.
»Weißt du, Nigel«, sagte Dave beim Aufstehen, »eigentlich gibt’s keinen Grund, diesen Job wieder zu machen, wenn du nicht mit der Zeit gehen willst. Privatkunden sind ja gut und schön, wenn sie ordentlich zahlen, aber so richtig was rausholen lässt sich nur bei der Presse und den Medien. Im Augenblick hab ich drei Jobs für Fernsehsender am Laufen. Ich stell Leute ein, die mir zur Hand gehen. Wenn du Interesse hast, kann dabei einiges für dich rausspringen.«
Nigel ignorierte ihn.
»Ganz wie du willst«, meinte Duckworth und schlurfte davon.
Sosehr ihn das auch schmerzte, musste Nigel sich doch eingestehen, dass Duckworth recht hatte. Privatkunden allein reichten nicht, um die Rechnungen zu bezahlen. Und die gutdotierten Jobs mit ernsthafter Recherche, bei denen man sich für ein paar Wochen in eine andere Welt vertiefen konnte, waren selten. Die lukrativsten Jobs verteilte die Presse. Entweder galt es, die Geschichte einer für die Medien interessanten Person beziehungsweise Berühmtheit
aufzudecken oder die Nachfahren und Verwandten von Leuten aufzuspüren, die im Rampenlicht standen. Oder sie kamen von Fernsehsendern, die ihren Hunger auf neue Formate stillen wollten. Für die Polizei zu arbeiten mochte aufregend sein, aber es war bald vorbei, und wahrscheinlich kam da nichts mehr nach. Bei seinem Mangel an Klienten konnte es gut sein, dass er tatsächlich irgendwann über seinen Schatten springen und mit Duckworth arbeiten musste.
Aber nicht jetzt. Im Augenblick hatte er einen Job, in dem er völlig aufging. Und der war noch nicht erledigt. Die Zukunft konnte warten.
Er gab den Namen Eke Fairbairn in das Suchfeld der Volkszählung aus dem Jahr 1871 ein, tippte London und drückte Return. Zwei Ergebnisse. Eins passte genau. Er war sechzehn Jahre alt und lebte zusammen mit seinem Vater Ernest und seiner Mutter Mary Jane in der Treadgold Street in North Kensington. Zu der Zeit gab es keine weiteren Geschwister. Nigel ging zurück ins Jahr 1861: Die Familie wohnte an derselben Adresse, Eke war sechs, daneben gab es noch ein neun Jahre altes Mädchen, Hannah, sowie Augustus, einen vierjährigen Jungen. Was war mit Augustus in den folgenden zehn Jahren geschehen? Vielleicht war er gestorben, was auch erklären würde, warum die Fairbairns keine weiteren Kinder hatten. Bei Hannah lag der Fall anders;
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