Das Erbe des Blutes - Roman
1871 war sie schon neunzehn und konnte bereits verheiratet sein. Er machte sich eine Notiz, dass er noch nach einer Sterbeurkunde für Augustus und einer Heirats- oder Sterbeurkunde für Hannah suchen musste.
Die Fairbairns verließen Notting Dale wahrscheinlich, um der Schande und Schmach zu entgehen, die Ekes Verurteilung über sie gebracht hatte. Aber wohin zogen sie?
Er ging die Londoner Aufzeichnungen durch, weitete die Suche dann aufs ganze Land aus, fand aber keine Spur von einem Ernest und einer Mary Jane Fairbairn im richtigen Alter, weder als Paar noch als Einzelpersonen. Er ging die online verfügbaren Sterbeurkunden durch und fand die Antwort: Ernest war 1881 im Alter von sechsundvierzig gestorben; Mary Janes Ableben war zwei Jahre später im Alter von fünfundvierzig verzeichnet. In denselben Aufzeichnungen fand er auch die Bestätigung für den Tod ihres Sohnes Augustus.
Die National Archives würden gleich schließen. Seine Arbeit hier war erledigt. Er wusste, dass Hannah die einzige Überlebende der Familie Fairbairn war. Hatte sie die Blutlinie fortgeführt?
Als Foster nach Hause kam, war es spät, und in seinem Anzug hing noch der Gestank nach Ammoniak. Ohne stehen zu bleiben, um wenigstens seine Jacke auszuziehen, schaltete er seinen chromglänzenden Laptop ein, der immer auf dem Küchentisch stand. Nur hierfür nutzte er dieses Möbelstück, sein Essen nahm er zumeist im Stehen ein, spätnachts oder frühmorgens.
Er goss sich ein großes Glas Wein ein und setzte sich, als der Computer zum Leben erwachte. Sein Kopf fühlte sich an, als würde er in einer Schraubzwinge stecken, es hämmerte in beiden Schläfen. Jedes Mal, wenn er den Blick hob und versuchte, sich zu konzentrieren, spürte er hinter den Augen einen dumpfen Schmerz.
Wenn sich der Killer immer noch auf freiem Fuß befand - und irgendetwas sagte Foster, dass dem so war -, würde er in der kommenden Nacht wieder zuschlagen. Und dann würde sich herausstellen, ob Terry Cable der
richtige Mann war: Fand man keine Leiche, dann hieße das, dass Harris’ Zuversicht gerechtfertigt gewesen war. Und wenn nicht, nun, dann hatten sie einen vierten Mord an der Backe. Foster wollte alles tun, um das zu verhindern.
Um neun Uhr an diesem Abend hatte er zusammen mit Heather und Khan immer noch an den Wohnungstüren im Wohnblock geklingelt. Sie besaßen eine Liste aller Bewohner: Wer wo lebte, welche Wohnungen leer standen, wo es neue Mieter gab; alles abgeglichen mit dem Wahlregister. Bei den leeren Wohnungen oder solchen, in denen sie niemanden angetroffen hatten, konnten sie nicht viel mehr machen, als diese zu beobachten, während der Countdown lief. Am nächsten Morgen um sechs würde er sich mit Heather treffen, um genau das zu tun, nämlich rückwärts bis null zählen.
Er brauchte Hilfe, wenn möglich eine bewaffnete Einsatztruppe. Die ganze Gegend sollte observiert werden. Er hatte mit Drinkwater gesprochen. Der Verdächtige war immer noch nicht offiziell angeklagt. Am nächsten Morgen wollten sie bei Gericht noch weitere achtundvierzig Stunden Aufschub beantragen. Sie waren von Cables Schuld überzeugt; er hatte für keine der Nächte, in denen die Opfer verschwunden oder ihre Leichen abgelegt worden waren, ein Alibi. Sie verfügten allerdings über keinen Beweis, und Cable war nicht geständig.
Foster rief Harris an, um ihn zu bitten, ihm bei der Überwachung des Hochhauses Verstärkung zu schicken, wurde jedoch abgewiesen. Alle waren vollauf damit beschäftigt, irgendetwas zu finden, mit dem sie Cable belasten konnten.
»Er ist unser Mann«, wiederholte Harris ein ums andere Mal.
Foster gab auf. Er bat darum, Cable verhören zu dürfen,
ihm in die Augen zu schauen und ihn beim Reden zu beobachten.
Harris bestand darauf, dass er sich ein paar Tage frei nahm.
»Sie sehen erschöpft aus, Grant«, sagte er.
Foster wusste, dass Harris verhindern wollte, dass er mit seinen Zweifeln und seiner Grübelei die Zuversicht der Männer untergrub.
Er sah auf die Uhr. Wenn er jetzt ins Bett ging, konnte er sieben Stunden schlafen und vielleicht seine Kopfschmerzen loswerden. Aber was Nigel in den National Archives gesagt hatte, spukte immer noch in seinem Kopf herum. »Jeder, der die Vergangenheit zu verdrängen versucht, hat eine Leiche im Keller«, waren seine Worte gewesen. Worte, die für ihn einen grauenvollen Nachhall besaßen. Foster hatte alles getan, um die schrecklichen Ereignisse aus der Vergangenheit zu vergessen. Er hatte
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