Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Erbe des Bösen

Das Erbe des Bösen

Titel: Das Erbe des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
Vom Netzwerk:
Menschheit arbeiten.«
    »Verschone mich mit solchen hohlen Phrasen. Du hast deine ›Forschungen‹ mit den Augen von ermordeten Kindern betrieben!«
    »Nein. Man hat mir gesagt, die Augen stammten von Personen, die eines natürlichen Todes gestorben seien. Ich tat, was mir meine Vorgesetzten befahlen. Warum hätte ich mich weigern sollen?«
    »Weil man Menschen
ermordete
, damit ihr passendes Material für eure Studien bekommt! Du hast doch selbst nicht geglaubt, dass die Augen von Verstorbenen stammten.«
    »Natürlich habe ich das geglaubt. Später hörte ich, dass sie von Menschen stammten, die ohnehin gestorben wären. Das Töten von Menschen akzeptiere ich unter keinen Umständen. Aber indem ihre Organe der Wissenschaft zukamen, war ihr Tod nicht vergebens.«
    Erik schüttelte fassunglos den Kopf. »Wie kannst du nur so reden? Heute noch. Eure Rassenlehre hatte niemals etwas mit Wissenschaft zu tun.«
    Ingrid seufzte. »Diese Behauptung tragt ihr Genetiker von heute immer gerne vor, denn sie befreit euch vermeintlich von den Fesseln der Vergangenheit. Aber es ist ungerecht, zu verlangen, dass eine junge Assistentin das Niveau der Forschungen einschätzen kann, wenn die Professoren es für hoch hielten. Und wie gesagt, ich kannte den wahren Ursprung des Forschungsmaterials nicht. Doktor Mengele war ein Schützling unseres Institutsleiters von Verschuer. Wie hätte ich ihm irgendwelche Grausamkeiten unterstellen können? Zumal auch mein Vater beide gut kannte.«
    Zum ersten Mal war aus den Worten der Mutter eine gewisse menschliche Verletzlichkeit herauszuhören. »Du wirst das nicht gerne hören, aber dein Großvater war ein sehr einflussreicher Anhänger der Naziideologie in Schweden. Und anders als ich hat er seine Ansichten nicht revidiert, als die Wahrheit über Mengele |325| und Auschwitz und all das Fürchterliche ans Tageslicht kam. Als ich von Mengeles Grausamkeiten hörte, glaubte ich, mein Vater würde den Umgang mit ihm einstellen . . . kein Geld mehr nach Südamerika schicken und andere Torheiten. Aber mein Vater war ein alter Mann, ein Gefangener seiner Illusionen, er glaubte lieber der Version Mengeles. Das hat das Verhältnis zwischen meinem Vater und mir für immer zerstört.«
    Erik wusste nicht, was er sagen sollte. Das Erbe seines Großvaters war in die Firma eingeflossen. Ein und derselbe Mann hatte also Josef Mengele und Gendo unterstützt – den grausamsten Arzt der Menschheit und ein Spitzenunternehmen der modernen Gentechnologie. Der Gedanke war so absurd, so makaber, dass Erik nur bestürzt den Kopf schütteln konnte.
    »Mein Vater gestand nicht ein, dass es etwas zu bereuen gab«, fuhr die Mutter leise fort, kleinlauter als zuvor. »Aber ich habe es getan. Naturgemäß. Es war der erschütterndste Tag meines Lebens, als ich las, was Mengele in Auschwitz getan hatte. Ich bereute, in Dahlem nicht ernsthaft versucht zu haben, Aufschluss über die Herkunft unseres Forschungsmaterials zu erhalten. Aber Rolfs Meinung nach hatte ich nicht genügend bereut . . . Er bereute seine Taten wiederum zu sehr. Er fand, ich hätte meine Fehler nicht zu
sühnen
versucht. Zu sühnen! Der Gedanke der Sühne ist aber meiner Ansicht nach reiner Selbstbetrug. Ich wollte nicht durch Sühne versuchen, mich von den Dummheiten meiner Jugend frei zu kaufen, sondern trug auch das, was ich falsch gemacht hatte, mit mir. Das war nicht leicht, auch wenn mir das niemand glauben wollte . . .«
    Ihre Stimme bebte, und in ihren Augen hatte sich ein Tränenfilm gebildet. Erik gab sich Mühe, keine Notiz von der Gefühlsregung seiner Mutter zu nehmen, auch wenn sie echt zu sein schien.
    »Vater hat seine Taten also bereut«, stellte er fest. »Was meinst du damit? Welche Taten?«
    »Du weißt sicherlich schon, dass er am deutschen Atombombenprogramm beteiligt war. Als junger Mann entwickelte er |326| Waffen, obwohl er sich auf die Weltraumforschung konzentrieren wollte. Später war ihm die Last der Vergangenheit zu viel, wie gesagt . . . Er ertrug sie nicht, sondern beging schwere Fehler.«
    »Welche Fehler?«
    »Dein Vater war ein Feigling mit schwachen Nerven. Und du hast das schon als Kind gespürt. Darum wolltest du lieber bei mir sein. Von klein auf kamst du eher nach mir. Du weißt gar nicht, wie glücklich ich war, als du Interesse für die Biologie zeigtest und später die Erbforschung zu deinem Beruf machtest . . .«
    Erik schlug mit der Faust auf den Tisch. »Hör auf!«
    Dann zwang er sich zu einem ruhigeren

Weitere Kostenlose Bücher