Das Erbe des Bösen
außerordentlich geldgierig. Das war eine gefährliche Kombination.
Malek beschloss, am nächsten Morgen vor dem Flug nach London noch einen Besuch bei Rastegar zu machen.
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Erik fuhr in seinem VW Golf, den er am Flughafen Tegel gemietet hatte, in Richtung Zentrum. Der Navigator half ihm dabei. Es war 8 Uhr 05, und Rastegar hatte sein Telefon noch nicht angestellt.
Schneider vom BKA ging aber schon dran. Erik meldete sich kurz mit Namen und sagte: »Gestern Abend ist mir von einem Zeitzeugen bestätigt worden, dass mein Vater und Hans Plögger tatsächlich zu einer Forschungsgruppe gehörten, die in Nazideutschland eine Atombombe entwickelte. Aber das Interessanteste ist eine neue Information, die ich bekommen habe: In den letzten Kriegstagen haben sie angereichertes Uran versteckt.«
Am anderen Ende der Leitung war es still. Erik hielt in der Oberbaumstraße an einer roten Ampel an.
»Das ist eine ziemlich kühne Behauptung«, sagte Schneider schließlich. »Wer hat Ihnen das erzählt?«
Jetzt war es an Erik zu schweigen. Was sollte er über seine Mutter sagen? Nur dass sie Rolfs Frau war. Das würde vielleicht genügen, wenigstens vorerst. Und falls das Interesse dadurch auf seine Mutter gelenkt wurde, konnte er es auch nicht ändern.
»Ich habe es von meiner Mutter erfahren.«
»Wann kommen Sie nach Berlin, Herr Narva?«, fragte Schneider ernst.
»Ich bin bereits wieder hier«, erwiderte Erik und fuhr los, als es grün wurde. Sie vereinbarten, sich sofort im BKA zu treffen.
Als nächstes fingerte Erik die Visitenkarte von Professor Zweiger aus seinem Portemonnaie, rief ihn an und erzählte ihm das alles.
»Dass schweres Wasser und Urandioxyd versteckt wurden, |347| wissen wir. Aber über U-235 besitzen wir nur ganz vage Informationen«, murmelte Zweiger ungläubig.
»Meine Mutter hat erzählt, dass die Zentrifugen in Freiburg, Kandern und Celle rund um die Uhr liefen.«
»Sie scheint bis zu einem gewissen Punkt tatsächlich zu wissen, wovon sie spricht. In Kandern wurde 1944 viel mit Paul Hartecks Zentrifugenverfahren gearbeitet, aber es ist nicht bekannt, wie viel angereichertes Material dabei produziert wurde und wohin es verschwand. In Celle wurde die Ultrazentrifuge ZU III B in Betrieb genommen, die pro Tag einige Dutzend Gramm produzierte. Als die Briten am 12. April nach Celle kamen, war das angereicherte Uran aber nicht mehr da. Ich würde mich sehr gern mit Ihrer Mutter unterhalten . . .«
»Sie wird unter keinen Umständen mit Fremden über diese Dinge reden«, sagte Erik strikt. »Es ist also im Prinzip denkbar, dass angereichertes Uran versteckt worden ist?«
»Irgendwo muss das Material hingekommen sein, das steht fest. Aber das Anreicherungsverhältnis war schwach, jedenfalls am Anfang. Im März 1943 bekam man mit Hartecks Doppelzentrifuge gerade mal zehn Gramm Uran pro Tag zu Stande, das um fünf Prozent angereichert war. Mit der weiteren Entwicklung der Methoden verbesserte sich das Anreicherungsverhältnis allerdings. Aber wie gesagt, die Mengen waren zunächst sehr gering.«
»Auch eine kleine Menge dürfte schon zu viel sein, wenn sie in die falschen Hände gerät«, stellte Erik trocken fest.
»Absolut. Schon die Herstellung einer kleinen Menge angereicherten Urans ist so teuer und kompliziert, dass mit Sicherheit manch einer daran interessiert sein könnte, solches Material fertig in die Hände zu bekommen. Verfügen Sie über genauere Informationen zum Ort?«
»Das alles könnte in den Tagebüchern von Hans Plögger erwähnt werden, die wir uns gestern angesehen haben. Das Problem ist, dass ich nur einen Teil davon habe. Ich fahre jetzt zu Schneider vom BKA und anschließend zu dem Trödler, der noch weitere Tagebücher hat. Oder zumindest die Kopien.«
|348| »Aber machen Sie sich bitte keine Sorgen. Ich kann mir wirklich nicht vorstellen, dass wir es mit dem zu tun haben, was Sie befürchten.«
Ingrid hatte Lena einen freien Tag gegeben. Sie wollte jetzt niemanden im Haus haben, schon gar nicht nach dieser unruhigen Nacht. Im Traum war sie mit Rolf beim Gartenfest der von Brauns in deren neuem Haus in der McClung Street in Huntsville gewesen.
Während sie Frühstück machte, hing ihr der Traum noch immer nach. Als blonde Schwedin war sie in der engen deutschen Gemeinde beliebt gewesen, aber das hatte ganz und gar nichts damit zu tun gehabt, dass die Schweden etwa die Vorbilder für die nordische Rasse abgaben, von der die Eugeniker träumten. Die
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