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Das Erbe des Bösen

Das Erbe des Bösen

Titel: Das Erbe des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Deutschen in Huntsville waren Physiker und Raketeningenieure, für Rassenfragen hatten sie sich nie interessiert.
    Obwohl Ingrid als Erwachsene nicht mehr in Schweden gelebt hatte, hatte sie das Land und einige Züge der schwedischen Sozialdemokratie ihr Leben lang sehr geschätzt. Ihr Vorbild war die einstige Frauenrechtlerin und Eugenikerin Alva Myrdal. Diese hatte die schwedische Gesellschaft modernisieren wollen und darum bereits 1934 in ihrem Buch über die Krise in der Bevölkerungsfrage, das sie mit ihrem Ehemann Gunnar veröffentlicht hatte, außer sozialen Erneuerungen auch die Zwangssterilisation des schwächsten Teils der Bevölkerung vorgeschlagen. In ihren Auffassungen kamen die in den Vereinigten Staaten herrschenden Vorstellungen zum Ausdruck, die sie bei einer Reise als Schützling der
Rockefeller-Stiftung
kennengelernt hatte.
    Ingrid hatte von ihrem Vater viel über Alva Myrdal gehört, die eine der treibenden Kräfte bei der Schaffung des schwedischen Wohlfahrtsstaates gewesen war, in dem das Interesse des sozialdemokratischen Staates über dem Interesse des einzelnen Menschen stand. 1939 zeigte Alva Myrdal den Amerikanern, wie man auf die einzig richtige Weise Bevölkerungspolitik betrieb. Das von ihr kreierte »Schwedische Modell« – die sozialdemokratische |349| Bevölkerungsplanung – umfasste Zwangssterilisationen und wurde ergänzt durch freiwillige Sterilisationen und eine auf Grenzfälle abzielende Verhütungspropaganda. In den Jahren 1934 bis 1975 wurden in Schweden an 63   000   Menschen Zwangssterilisationen vorgenommen.
    Ingrid schmunzelte. Im Land von SKF, Volvo und IKEA beherrschte man die Veredelung und die Pflege von Warenzeichen, und eben diese Prinzipien setzte man ein, als es galt, das Fundament des »Volksheims«, den sozialdemokratischen Menschen, zu veredeln und rein zu halten.
    Ingrid hatte Rolf gegenüber oft gestichelt, weil Finnland auch bei diesem Thema hintendran war. Dort wurden in den Jahren 1934 bis 1955 gerade einmal knapp 1500   Menschen sterilisiert. Aber später hatte sich auch dort die Einstellung geändert, wie Ingrid gelesen hatte. Die Mittel für den Gesundheitsbereich waren knapper geworden, und so fragte man auch in Finnland, wen es sich zu behandeln lohnte. Einer vom Ärztebund unlängst in Auftrag gegebenen Studie zufolge hatten mehr als sechzig Prozent aller Finnen den Einsatz von Gentests befürwortet, wenn dadurch gesellschaftliche Einsparungen erzielt werden konnten.
    Anfang der Fünfzigerjahre konnte Ingrid den raketenartigen Aufstieg der von ihr bewunderten Alva Myrdal in den Vereinigten Staaten verfolgen, als die Schwedin die Leitung der Sozialabteilung der UNESCO in New York übernahm und von da an zu den einflussreichsten Frauen der Welt gehörte. Auch der erste Vorsitzende der UNESCO, Julian Huxley, war Eugeniker gewesen und hatte seine wichtige Position effektiv zur Durchsetzung seiner Ziele genutzt. Huxley war ebenfalls an der Gründung des WWF beteiligt gewesen, und dort propagierte man die Notwendigkeit, zum Schutz der Wildtiere die sie bedrohende menschliche Population in den Entwicklungsländern einzuschränken. Dieselbe Botschaft wurde über Jahrzehnte hinweg unter anderem in der Zeitschrift ›National Geographic‹ in prächtigem Vierfarbdruck verbreitet.
    Nachdem Deutschland seine Versuche der Rassenveredelung |350| zu weit getrieben hatte, mussten die Eugeniker vorsichtig sein, wenn sie ihre Sache vorantreiben wollten. Als allgemein anerkannte Methode etablierte man die Bevölkerungspolitik, die trotz allen Widerstandes von den Vereinigten Staaten und Großbritannien als eine der offiziellen Aufgaben der UNO gesehen wurde. Die Menschen lebten damals in der Angst vor der Atombombe, und die Eugeniker nahmen den Begriff der »Bevölkerungsexplosion« in Gebrauch und suggerierten, diese sei wesentlich gefährlicher als die Atombombe. Das Bevölkerungswachstum an sich war damals gar nicht das Problem – im Gegenteil, sogar in Schweden wurde versucht, die Geburtenzahl zu erhöhen   –, sondern das Wachstum der
falschen
Bevölkerung.
    Die Vorstellungen der Sozialdemokratin Myrdal zur Rassenveredelung wurden auch von der Spitze der kapitalistischen Welt geteilt. John D.   Rockefeller III. gründete 1952 das
Population Council
, das Gelder in die Verhütungsforschung steckte. An dessen Spitze wurde Frederick Osborne, der Vorsitzende der
American Eugenics Society
, gesetzt, der später sagte: »Die Ziele der Rassenveredelung wird man

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