Das Erbe des Greifen
derjenige, der die Vorschläge macht! Er sagt nicht, tue dies oder tue jenes, er sagt, wäre es nicht besser, wenn … Oft genug habe ich mich dann gefragt, warum ich nicht selbst auf die Idee gekommen bin. Wenn nicht der Rat, sondern ein Einzelner regieren würde … wer, Ralik, wäre von uns allen am ehesten dazu geeignet?«
»Pulver, vielleicht auch Garen. Aber du hast noch nicht gesagt, was sich gerade ändert.«
»Die Leute merken langsam, dass Pulver mehr ist, als es den Anschein hatte. Sie kommen mit ihren Problemen zu ihm, und er findet eine Lösung. Immer.«
»Und was ist mit Garen?«, fragte Ralik.
»Er hilft Anselm im Dorf und bereitet die Verteidigung vor. Aber auch er ist froh, dass Pulver das Steuer in die Hand genommen hat. So, und jetzt kannst du vielleicht selber sagen, warum Pulver die Hüterin im Rat haben will.«
Ralik strich sich über den Bart. »Das liegt wohl auf der Hand. Er will die Last nicht allein tragen, und ich kann ihn gut verstehen. Ich habe es begriffen, Hernul. Aber dennoch … nur einmal will ich erleben, dass Pulver nicht Recht behält.«
»Dann will ich hoffen, dass es geschieht, nachdem Belior besiegt ist.«
»Ich muss zugeben«, stellte Lamar nachdenklich fest, »dass ich anfänglich von diesem Meister Pulver ähnlich dachte wie Euer Radmacher.«
»Er war darin nicht allein«, antwortete der alte Mann gemächlich. »Allerdings hätte man es sich denken können. Meister Pulver war Alchimist, immer voller Ideen und gesegnet mit einem außerordentlichen Wissensdurst. Es lag nahe, dass er einen scharfen Geist besitzen musste. Doch er verbarg es gut. Später hörte ich auch von Astrak, dass manche Menschen es einem übel nehmen, wenn man ihnen überlegen ist. Es sei also klug, so meinte er, es vor ihnen zu verbergen!« Der Geschichtenerzähler lachte leise. »Aber es gab ja noch einen anderen Mann, dem seine ganze Klugheit im Moment partout nichts nützen wollte …«
Das Haus der Göttin
Knorre stand, auf eine Krücke gestützt, am Fenster und zog den Vorhang vorsichtig zur Seite, um den Priester und die königlichen Soldaten besser beobachten zu können, als diese das Haus wieder verließen.
»Unglaublich«, sagte er verwundert. »Ich weiß nicht, wie sie es geschafft hat, aber sie ziehen tatsächlich wieder ab.« Er ließ den Vorhang in die alte Position fallen und lehnte sich mit dem Rücken an die Wand neben dem Fenster. »Vier Tage sitze ich hier schon fest!«
Argor saß neben Knorres Bett auf einem bequemen Stuhl und hatte bis zu dem Moment in einem Gedichtband gelesen, den Sina ihm gegeben hatte. Jetzt sah er auf und musterte den hageren Artender. »Ich vermute, dass Ihr es auch gar nicht wissen wollt.«
»Damit könntet Ihr Recht haben«, seufzte Knorre. »Warum musste ausgerechnet mir das geschehen!«
»Nun, Meister Knorre, eigentlich habt Ihr gewusst, dass es geschehen würde. Schließlich war es Eure eigene Vision. Außerdem verstehe ich nicht, worüber Ihr Euch beschwert. Ich bin mir darin nicht sicher, aber ist es nicht unüblich für einen Menschen, vier Tage, nachdem sein Bein in Splittern brach, wieder zu stehen und zu fluchen, als habe er nur einen leichter Kratzer davongetragen?«
»Leonora hat ein gewisses Talent für Wundheilung«, antwortete Knorre und klang ungehalten darüber. »Sie hat überhaupt eine ganze Menge Talente!«
»Macht Ihr das Leonora zum Vorwurf?«, fragte Argor schmunzelnd. »Ich für meinen Teil bin dankbar dafür. Etwas Ruhe schadet weder Euch noch mir.«
»Und wie soll ich Ruhe finden, wenn die ganze Welt am Abgrund schwebt? Ihr habt doch auch gehört, was Sina berichtet hat, als sie vom Markt zurückkam! Darkoths Priester schwirren hier herum wie Fliegen über einem Kadaver, und sie kennen keine Rücksicht. Heute Morgen ist ein alter Mann so hart getreten worden, dass er es wohl nicht überleben wird! Und Leonora und Sina … mir dreht sich der Magen um, wenn ich nur daran denke, was sie tun mussten, damit diese Kerle wieder verschwinden. Habt Ihr gesehen, wie selbstgefällig und zufrieden diese Gesellen gegrinst haben?«
»Im Gegensatz zu Euch habe ich nicht durchs Fenster gelinst, Meister Knorre«, erinnerte ihn der junge Zwerg. Er legte das Buch zur Seite und stand auf. »Ihr scheint das Bein bald wieder belasten zu können. Nur noch etwas Geduld, und Ihr könnt Euren Plan endlich ausführen. Ich werde Euch dabei helfen, so gut ich kann.«
»Du hast ja noch nicht einmal gefragt, was ich vorhabe!«
»Muss
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