Das Erbe des Greifen
wieder geschehen!« Es lag ein neuer Glanz in den Augen des Priesters, als er weitersprach. »Mir wurde soeben eine Gnade gewährt, die größer ist als alles, was ich mir jemals hätte erträumen können!«
»Was genau ist denn geschehen?«, fragte Astrak neugierig.
»Er hat mich zu Seinem Streiter auserkoren. Er hat mich erwählt, Seine Gnade und Gerechtigkeit auf dieser Welt zu vertreten. Wenn ich Belior in diesem Zustand schlage, wird es der Gott selbst sein, der den Streich führt. Versteht Ihr? Loivan selbst hat mich berührt, mich mit seiner Essenz erfüllt. Ich bin nur noch zum Teil der, der ich war, das Meiste an mir stammt nun von meinem Herrn, der mich reingewaschen und durchdrungen hat und auch geläutert von dem grenzenlosen Hass, den ich verspürte. Ich habe nicht gewusst, wie sehr ich mich verloren hatte. Hass kann keine Gnade spenden. Und nur wer liebt, vermag gerecht zu urteilen.«
»Ihr seid nicht mehr zornig?«, fragte Astrak vorsichtig.
»Nein.« Barius lächelte. »Nur noch entschlossen.«
»Dann seid Ihr nun von Eurem Gott besessen?«, erkundigte sich Pulver zögernd.
Barius schüttelte den Kopf. »Nicht besessen. Erfüllt. Das ist ein Unterschied.«
Er sah hinauf zum klaren Himmel.
»Eines scheint mir jetzt gewiss«, verkündete er dann. »In diesem Streit haben wir die Götter auf unserer Seite.«
»So scheint es mir auch«, rief Lamar ergriffen. »Ich habe schon den einen oder anderen Priester kennen gelernt, auch einen Priester Loivans. Aber sie werfen nicht mit Blitzen um sich, noch werden sie von den Göttern mit Windhosen berührt oder heilen tödliche Wunden mit Gesang und Gebet. Die Priester, die Ihr hier beschreibt, sind anders. Sie wandeln durch Eure Geschichte wie Titanen!«
»Ich werde Elyra berichten, dass Ihr sie als Titan betrachtet«, lachte der alte Mann und warf einen versteckten Blick in eine Ecke des Gastraums, wo eine junge Frau neben einem grauhaarigen, kräftig gebauten Mann saß, der in seinem Stuhl zu schlafen schien. Ab sich die junge Frau zu ihm hinüberbeugte und ihm etwas hinter vorgehaltener Hand zuflüsterte, zeigte sich ein Lächeln auf seinen Gesichtszügen, ohne dass er die Augen öffnete.
»Ich weiß, was Ihr meint, Freund Lamar«, fuhr der Geschichtenerzählerfort. »Glaubt mir, es ist besser so. Wenn die Götter in die Geschicke der Menschen eingreifen, ist es meist auch bitter nötig. Dennoch scheint es mir besser, wenn man auf solche Wunder verzichten kann.« Der alte Mann lachte leise. »Außerdem bewahrt es einem die Illusion, dass man seine eigenen Geschicke selber lenkt. Ich kannte manch einen, der sich arg dagegen wehrte, den Göttern als Spielstein zu dienen. Ich denke da zum Beispiel an die Sera Meliande. Leicht fügte sie sich ihrem Schicksal nie …«
»Sie war ja mit Ralik an dem Pass«, erinnerte sich Lamar. »Geschah dort etwas?«
»Nein«, sagte der alte Mann. »Nur, dass sie von dort aus aufbrach, um zusammen mit Hauptmann Hendriks weitere Söldner anzuwerben. Das war am Morgen jenes Tages, an dem Elyra den Tempel öffnete und kurz nachdem Meister Hernul mit seinen Wagen am Pass angekommen war.«
Brutmutter
»Ich werde dem Rat gerne beitreten«, teilte Meliande Ralik mit, als dieser sie aufsuchte, um sich von ihr zu verabschieden und ihr für das Unterfangen Glück zu wünschen. Die Hüterin, Hauptmann Hendriks und Helge waren die Einzigen, die noch nicht aufgesessen waren. »Nur muss es warten, bis wir wieder zurück sind.«
Sie warf einen Blick hinauf zum alten Turm, wo drei Männer damit beschäftigt waren, die Mauerreste des obersten Stockwerks abzutragen. »Bis dahin habt Ihr die Festung wohl schon wieder hergerichtet, ich hätte nicht gedacht, dass die Arbeit so schnell voranschreiten würde.«
»Noch reißen wir nur Mauern ein, sie aufzubauen wird länger dauern«, antwortete der Zwerg. Er seufzte. »Mir ist nicht ganz wohl damit, dass ihr so wenige seid. Die Vorlande mögen nicht von Belior besetzt sein, aber dennoch sind sie nicht sicher.«
»Wir werden Sorge dafür tragen, dass der Sera nichts geschieht«, versicherte Hauptmann Hendriks, dem seine Tochter gerade dabei half, sein Pferd zu besteigen. Er setzte sich im Sattel zurecht und verzog schmerzhaft das Gesicht, als seine Wunden ihn wieder plagten. »Achtet Ihr lieber auf Euch selbst, Hauptmann«, rief die Hüterin lachend und hielt dem Zwerg ihre gepanzerte Hand hin.
»Wir werden mit einer Armee zurückkehren, Meister Ralik«, sagte sie dann zu
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