Das Erbe des Greifen
ihm. »Belior wird es nicht gelingen, der Krone habhaft zu werden.«
Ralik nahm ihre Hand und drückte sie.
»Achtet auf Euch, Sera«, sagte er leise. »Die Menschen hier brauchen Euch.«
»Auch Ihr, Meister Ralik?«, fragte sie lächelnd.
Er sah ihr zu, wie sie sich elegant in den Sattel schwang, die schwere Rüstung schien sie dabei kaum zu behindern. »Jeder von uns. Denn jeder kann Hoffnung gebrauchen. Und die verkörpert niemand sonst so sehr wie Ihr.«
Sie versuchte sich nicht anmerken zu lassen, dass seine Worte Ihr missfielen.
»Ich bin niemandes Hoffnung«, versetzte sie und zwang sich zu einem Lächeln, dann gab sie ihrem Pferd die Sporen und preschte Helge und dem Hauptmann hinterher.
Ralik sah ihr lange nach. »Der Götter Segen mit Euch, Meliande vom Silbermond«, sprach er leise, bevor er sich umdrehte und zum Turm zurückging. Es gab noch viel zu tun.
Anfangs war der Ritt noch recht beschwerlich, der Weg war felsig und uneben, und es konnte leicht geschehen, dass die Pferde auf dem Geröll ausrutschten und sich verletzten. Doch alles ging gut, und gegen Mittag erreichten sie die Brücke mit dem Zollhaus, von der Marten gesprochen hatte. Der Hauptmann griff an seinen Beutel, um den Brückenzoll zu zahlen, doch an dem Haus rührte sich nichts. Auf sein Zeichen hin steigen zwei seiner Männer ab und näherten sich vorsichtig dem alten Gemäuer. Mit dem gezogenen Schwert drückte einer von ihnen die Tür zur Wachstube auf und trat sofort wieder zurück.
»Es ist niemand hier«, rief er zu der Gruppe gewandt, »aber alles ist voller Blut, und überall sind Fliegen. Seht Euch die Tür an.«
Der Hauptmann und Meliande beugten sich im Sattel vor und musterten das Holz, das von tiefen Kratzspuren durchzogen war.
»Kronoks«, stellte der Hauptmann fest. »Hat Euer fliegender Kundschafter nicht behauptet, es seien keine in der Gegend?«
»Gestern sind ihm zumindest keine begegnet«, antworte Meliande und richtete sich wieder im Sattel auf. Ihr Blick glitt über die verfallenen Gebäude der Siedlung, doch sie konnte nichts Auffälliges entdecken. »Hier führt eine Blutspur entlang«, rief einer der Männer. »Der Farbe nach zu urteilen stammt das Blut von heute Morgen.«
»Sammelt Eure Leute und lasst uns weiterreiten«, beschwor Meliande den Hauptmann. »Die Spur kann nur zu einem Toten führen oder in eine Falle. Jedenfalls werden wir niemandem mehr helfen können, und zum Kämpfen ist es hier zu unübersichtlich, in offenem Gelände würde ich mich wohler fühlen.«
Hendriks nickte und gab den Befehl zum Anreiten. Fast jeder von ihnen hatte die Hand auf seinem Schwert, aber es geschah nichts weiter. Dennoch atmete Hendriks erst auf, als sie die Ruinen hinter sich gelassen hatten. Erleichtert lenkte er sein Pferd neben das der Hüterin.
»Einen Moment lang dachte ich, dieses verlassene Dorf würde unser Ende bedeuten«, sagte er. »Ich hasse diese Echsen. Aber warum meint Ihr, es hätte eine Falle sein können? Niemand weiß, wo wir sind … und weshalb sollte man uns auflauern?«
»Glaubt Ihr, Belior lässt uns ungehindert durch die Lande ziehen?«, rief Meliande lachend und schüttelte den Kopf. »Nein, Ihr könnt Euch sicher sein, dass er uns beobachtet.«
»Warum sollte er das tun? Meint Ihr wirklich, er hält uns für so gefährlich? Bislang wurde er noch nie besiegt.«
»Wir haben seine Pläne durchkreuzt, und mir kommt es so vor, als wäre er recht nachtragend.« Sie schenkte Hendriks ein flüchtiges Lächeln. »Hauptmann, habt Ihr noch nicht erkannt, dass wir ihm gefährlich werden können?«
»Ich wüsste nicht, wodurch«, antwortete der Hauptmann bedrückt. »Zweimal hat meine Kompanie gegen Thyrmantor gekämpft … und jedes Mal wurden wir geschlagen. Ich weiß, was er ins Feld führen kann, Sera! Nur deshalb entschloss ich mich, für ihn zu arbeiten.« Er seufzte. »Genützt hat uns das aber nicht. Ich habe nur gute Leute und einige meiner Freunde verloren. Unter anderem durch Euch, denn ich hörte, Ihr wäret es gewesen, die den Plan vereitelte, das Gold aus dem Dorf zu stehlen. Und jetzt reiten wir Seite an Seite, mit einem Teil des Golds in unseren Satteltaschen.« Er sah sie von der Seite an. »Eines müsst Ihr mir verraten, wie habt Ihr meine Leute besiegen können? Sie gehörten zu meinen besten Kämpfern!«
»Ich erhielt eine umfassende Ausbildung«, antwortete Meliande. »Ich lernte Dinge, die heute kaum mehr jemand weiß.«
»Und welche wären das?«, fragte
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