Das Erbe des Greifen
auf die Ihr so lange gewartet habt? Ihr seid unter Freunden … und nicht zuletzt sah ich Euch weinen, als unsere Kinder in Euren Armen starben. Ist dies alles vergessen?«
Die Bardin senkte ihren Blick und seufzte.
»Nein, Freund Ralik«, antwortete sie dann mit ihrer weichen Stimme. »Ist es nicht.« Sie hob den Kopf und blickte in die Runde. »Ich werde daher zu meinem Volk reisen, vor die Königin treten und sie an unsere Allianz erinnern.«
»Da sie die Botschaft mit Euren Worten hören wird«, gab Meliande leise zu bedenken, »solltet Ihr Euch diese Reise sparen, wenn Ihr Euch nicht sicher seid, wer Euer Freund ist. Ihr seid diejenige, die entscheiden wird, was für Worte das Ohr der Königin berühren. Werdet Ihr um Beistand für Eure Freunde flehen oder sie mit nebensächlichen Worten an ein Stück Pergament erinnern, das so alt ist, dass selbst die Elfen sich kaum mehr daran erinnern?«
»Ihr täuscht Euch, wenn ihr diesen Pakt vergessen glaubt«, gab die Bardin gelassen zurück. »Es mag zu besprechen sein, ob er noch gilt, aber vergessen ist er bestimmt nicht! Hier in Lytar zu stehen ruft alte Erinnerungen hoch und lässt alte Gefühle wieder erwachen. Es ist der Fluch der Elfen, dass unsere Erinnerung so weit zurückreicht, dass wir manchmal eher sehen, was war, als das, was ist.« Ihr Blick huschte zu Marten hinüber, der still und schweigsam auf seiner Bank saß und sie mit starren Augen ansah. »Ich werde die Königin nicht an eine Allianz erinnern, sondern sie um Hilfe für unsere Freunde bitten. Drohungen indes werde ich keine ausrichten, es wäre müßig.«
»Danke«, sagte Meliande schlicht, doch die Art, wie sie es sagte, ließ Garret aufhorchen, ebenso wie der Blick, den die beiden Frauen austauschten, seiner Vermutung nach noch eine tiefere Bedeutung haben musste.
»Gut«, meldete sich nun Meister Pulver zu Wort. »Dann wäre dies also geklärt. Bleibt nur noch die Frage, wie Ihr zu Eurer Königin gelangt.«
»Ich werde nach Berendall reisen. Viele der Schiffe, die dort vor Anker liegen, haben schon an unseren Ufern angelegt, mit etwas Glück wird sich eines finden, dass mich hinbringt.«
»Wir werden Euch genügend Geld mitgeben, so dass es keines Glücks bedarf«, bot Pulver an. »Genug, dass ihr zur Not sogar ein Schiff davon kaufen könnt.«
»Gold ist beim Handel mit Menschen immer hilfreich«, lächelte die Bardin.
»Die Hilfe der Elfen ist unerlässlich, um in diesem Kampf zu bestehen«, mischte sich auf einmal Hauptmann Hendriks von seinem Lager aus ein. »Aber das alleine wird nicht reichen. Ihr … wir«, korrigierte er sich, »wir müssen Söldner anheuern. Wir brauchen selbst eine Armee, wenn wir Belior entgegentreten wollen.« Er richtete sich mühsam auf seiner Bahre auf. »Nach dem Dammbruch wird der alte Hafen für lange Zeit unbrauchbar sein. Vorerst wird kein Schiff mehr dort anlegen können. Das bedeutet, dass es nur noch zwei Orte gibt, an denen Belior mit seinen Schiffen landen kann. Die Bucht bei Lytar, in der sich auch unser Lager befunden hat, und in Berendall selbst. Und da unsere Bucht für mehrere Schiffe zu klein ist, wird es Berendall sein.«
Er sah die anderen im Zelt der Reihe nach an.
»Belior lässt eine Flotte bauen, mit der er die Nationen der Elfen überfallen will. Für dieses Unterfangen hat er im Moment zwar noch nicht genügend Schiffe, dennoch besitzt er bereits jetzt eine Flotte, die groß genug ist, eine Armee aufzunehmen und sie zu uns zu bringen. Er wird daher entweder in Berendall anlanden oder auf dem Landweg kommen, nur wird es dann Monate dauern, bis er uns erreicht. Der Marsch würde seine Truppen außerdem schwächen und uns Zeit geben. Wie dem auch sei. In beiden Fällen muss er danach zuerst den Pass überwinden. Für den Landweg ist es bereits zu spät, der Winter wird ihm den Weg versperren. Also …«
»Also wird er seine Truppen nach Berendall verschiffen«, stellte Ralik fest. »Und von dort aus sind es dann nur noch zwei Wochen, bis seine Truppen erneut vor unseren Toren stehen.«
»Richtig«, sagte Hendriks. »Der Pass muss daher gesichert werden, und auch der Zugang zur Stadt muss ihm verwehrt werden. Ich sah Berendall, als wir an der Küste vorbeisegelten. Die Stadt ist nicht besonders groß, aber sie verfügt über mächtige Mauern. Fällt sie an Belior, so besitzt er einen Stützpunkt nahe Lytar, und unser Schicksal ist besiegelt. Verweigert ihm Berendall jedoch die Landung, dann …«
»Dann haben wir eine Chance«,
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