Das Erbe des Greifen
wo sich die Krone befindet«, gab die Bardin zurück, während alle anderen die unerwartete Konfrontation gespannt verfolgten.
Ralik schüttelte sein graues Haupt. »Ob Belior die Krone nun findet oder nicht, wird für Euer Volk keinen Unterschied mehr machen. Nicht wenn sich der Himmel zuvor mit metallischem Glanz füllt und Eure grünen Wälder unter dem Schritt der Kriegsmaschinen erzittern.«
Marten, der Falkenreiter, der in der letzten Zeit nicht einmal mehr den Helm seiner kupfernen Rüstung abnahm, trat jetzt vor. »Gebt mir nur vier Freiwillige!«, forderte er. »Nur vier, und wir werden mit unseren Krallen alles zerreißen, was sich uns entgegenstellt. Nur vier Freiwillige, und ich treibe die Truppen dieses Beliors aus unseren Landen!«
Neben Meliande richtete sich nun auch Barius auf, doch bevor er etwas sagen konnte, hob der Radmacher die Hand. »Es sind nicht mehr unsere Lande«, sagte er leise. Doch auch wenn seine Worte an Marten gerichtet war, ruhte sein Blick weiterhin auf der Bardin.
»Ganz gewiss ist es nicht Euer Land, Zwerg«, kam die harte Antwort Martens, der das empörte Gemurmel um sich herum ignorierte und einfach weitersprach. »Und wir brauchen auch keine Verbündeten, Elfe«, fuhr der junge Mann mit kalter Stimme fort. »Wir haben selbst genug Mittel und Möglichkeiten. Wir brauchen nur unser Erbe anzunehmen und das Banner des Greifen wieder in unserem Reich wehen zu lassen. Dann wird auch Belior das Knie vor uns beugen!«
Nun stand Elyra auf, straffte die Schultern und wandte sich dem Falkenreiter zu.
»Die Göttin verbietet es. Ich verbiete es, Marten, hörst du?«
»Du bist wie der Zwerg und die Elfe ebenfalls keine von uns«, erwiderte Marten ungerührt. »Nicht ein Tropfen unseres Bluts fließt in deinen Adern!«
»So verbiete ich es dir, Falkenreiter.« Die Stimme, eisiger noch als die des jungen Mannes, gehörte der Sera Meliande. Sie zwängte sich an den anderen vorbei nach vorne und trat vor Marten, der sie mit seltsam starrem Blick musterte.
»Und wer seid Ihr, dass Ihr mir etwas verbieten wollt?«, fragte er schließlich. »Ich weiß, wofür ich stehe. Ich stehe gegen jeden Feind des Greifen. Wofür steht Ihr?«
»Für den Greifen selbst«, sagte Meliande leise. »Du sprichst von Dingen, die dir dein Falke einflüstert. Du sprichst von altem Blut und von den Feinden des Reichs. Aber das Reich existiert nicht mehr.«
»Es ist Krieg und ich wurde für den Krieg geschaffen. Was erwartet Ihr von mir?«, gab Marten zurück. »Dass ich am Boden bleibe und zusehe, wie der Feind über uns hinwegrollt?«
»Der Falke wurde für den Krieg geschaffen, Marten«, widersprach Meliande nun sanfter. »Nicht du. Du lebst nur ein Schicksal, das nicht für dich bestimmt ist.«
»Aber jetzt ist es das meine.«
»Dann setze dich und schweige. Ein Falkenreiter gehorcht und dient.« Ihre Augen bohrten sich in die des jungen Mannes. »Frage deinen Falken«, fügte sie leise hinzu, worauf Marten langsam, fast widerwillig den Kopf senkte und sich, die Hände in ihrem Panzer aus Kupfer zu Fäusten geballt, wieder setzte.
»Wir«, sagte Ralik nun bedächtig zu der Bardin, »haben uns geändert.« Er sah zu Elyra hinüber, deren Gesicht alle Farbe verloren hatte und die nun bleich neben Pulver stand. »Die Göttin warf Lytar zu Boden und strafte damit die Anmaßung derer, die vor uns kamen. Doch diese Lektion ist gelernt, niemand von uns wird noch einmal die Hand gegen eine Priesterin der Mistral erheben. Und solange dies nicht geschieht, wird die Göttin sich auch nicht wieder gegen Lytar erheben, selbst wenn die Falken fliegen sollten.« Er hob eine gewappnete Hand und deutete anklagend auf Marten. »Dies ist die andere, die einfachere Wahl. Die Wahl der Vergangenheit. Ihr habt ihn gehört. Vier Reiter fordert er, vier Freiwillige, die ihre Seele dafür opfern, dass Belior fällt. Wollt Ihr riskieren, dass er sie findet? Oder Eure Entscheidung vielleicht nicht doch noch einmal überdenken?«
Die Bardin sah ihn mit ernster Miene an. »Wollt Ihr mich erpressen, Ralik?«
»Nein«, meinte der Zwerg bitter. »Aber ich will Euch daran erinnern, dass wir nicht Eure Feinde sind. Noch erinnert sich jeder von uns daran, wie er zu Euren Füßen saß und Euren Worten lauschte. Ihr habt Lytara geprägt, mit Euren Balladen und Legenden, Ihr habt jedem dieser Menschen hier mit einem Lächeln eine Welt gemalt, die besser war als die, in der wir leben. Seht Ihr denn nicht, dass dies die Gelegenheit ist,
Weitere Kostenlose Bücher