Das Erbe des Loewen
sie eines Zuhauses für sich und ihren Gemahl bedurfte. Aulay hatte seinen Blick auf Edin Valley geworfen und war nicht einmal hierher gekommen. Auch Kieran begehrte Edin Valley. Warum sonst hätte er zugestimmt, sich mit einem „Frauenzimmer“ zu vermählen, das er eben erst kennen gelernt hatte?
„Großvater, wie kannst du mich nur dazu zwingen, ihn zu heiraten?“ hatte Laurel ausgerufen, sobald Kieran sie allein gelassen hatte.
„Zwingen? Niemals würde ich so etwas tun, aber ..." Bei Duncan folgte immer ein Aber, besonders wenn er versuchte, jemanden zu etwas zu bewegen, zu dem er selbst sich bereits entschieden hatte. Mit Sicherheit hatte er sich darauf vorbereitet, ihren Widerstand zu brechen, all ihre Einwände von der Hand zu weisen.
„Großvater, wir haben uns doch erst kennen gelernt. Ich kenne Kieran nicht mehr als ... “
„Ja. Aulay hatte dir zwei Monate lang den Hof gemacht, und sieh, was dieses hässliche Getue dir beinahe eingebracht hätte.“
„Willst du damit sagen, dass ich nicht in der Lage sei, mir selbst einen Gemahl zu erwählen?“
Duncan war zu schlau, um den Köder zu schnappen. „Ich sage nur, dass die Tage deines armen alten Großvaters gezählt sind.“ Er stieß einen dramatischen Seufzer aus. „Ich würde verdammt besser ruhen, hier und im Jenseits ...“, er seufzte erneut, „... wenn ich wüsste, dass mein geliebtes Mädchen und sein Bruder einen starken Mann zur Seite hätten, der sie beschützt, wenn ich es nicht mehr kann.“
Armer, alter Großvater. Sie wusste, er hatte sie schon halb auf seiner Seite, trotzdem versuchte sie, sich zu befreien. „Es gibt doch sicher jemand anderen. Was ist mit Geordie? Er hat mich immer schon verehrt und ... “
Duncan zog die Brauen hoch, das sagte alles. „Und verehrst du Klein-Geordie?“ fragte er listig. „Es schien mir immer, dass du es warst, die ihm aus irgendwelchen Prügeleien herausgeholfen hatte, und nicht anders herum.“
„Ich verehre überhaupt keinen Mann.“ Das war keine Lüge. Denn was sie für Kieran empfand, war gewiss nicht Verehrung. „Vielleicht könnten wir Boten zu anderen Clans aussenden, um von dort Hilfe zu erlangen.“
„Wir haben bereits nach dem Angriff darüber gesprochen, Mädchen. Ich fürchte, die Clans in unserer Nähe könnten sich gegen uns wenden. Unsere Freunde sind alle zu weit entfernt. Sie würden uns nicht rechtzeitig erreichen.“
„Woher willst du wissen, dass du Kieran vertrauen kannst? Nimm an, er versucht, dich und Collie zu töten, um über Edin zu herrschen?“
„Das wird er nicht tun. Er hat sich ein weitaus lohnenderes Ziel gesetzt.“ Ihr Großvater klang nicht gerade sehr erfreut, er weigerte sich indes, Laurel Kierans Pläne zu offenbaren. „Sei nicht ärgerlich, mein Mädchen. Alles wird sich zum Guten wenden ... für ihn und für dich. Wenn meine Zeit gekommen ist, wird er sich bewusst sein, wie glücklich er hier ist.“
„Das bezweifle ich“, sagte sie scharf. „Ich bezweifle, ob Kieran Sutherland weiß, was Glück bedeutet.“
„Es ist nicht seine Schuld“, hatte ihre Tante eingeworfen, die sich zu den beiden hinzugesellt hatte. „Er hatte ein schweres Leben.“
„Ich möchte nichts davon wissen.“ Aus Angst, etwas zu hören, was ihren Zorn mäßigen könnte, hielt sich Laurel die Ohren zu. Doch die Erklärungen ihrer Tante drangen dennoch in ihr Bewusstsein und durchbrachen die Mauer um Laurels Herz.
Nun verstand sie die Schatten in seinen Augen, seine Kälte und seine Härte. Ein Bastard. Betrogen von der eigenen Fami-lie. Kein Wunder, dass er mit der Welt haderte. Solange er keinen Frieden mit seiner Vergangenheit fand, war er zu einer düsteren Zukunft verdammt. Das Bedürfnis, ihm zu helfen, wuchs, ihr Verlangen war so heftig, dass sie bebte. Doch würde er sie an sich heranlassen?
Laurel seufzte. Noch mehr Fragen ohne Antworten. Könnte sie doch nur wirklich in die Zukunft blicken.
Da niemand in Stratheas war, um die Zugbrücke herabzulassen, musste sie die Ausfallspforte nehmen, um in die Festung zu gelangen. Aus dem Beutel an ihrem Gürtel zog sie den Schlüssel, steckte ihn ins Schloss und drehte ihn herum. Die rostigen Türangeln knarrten, als sie die Tür gerade so weit öffnete, dass sie ins Innere schlüpfen konnte. Obwohl es unwahrscheinlich war, dass sich jemand in der Nähe befand, schloss sie die Pforte hinter sich.
Ihr Vater war sehr stolz auf die Verteidigungsanlagen von Stratheas gewesen. Sie stand im Außenhof, kaum
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