Das Erbe des Loewen
tun?“ fragte Laurel.
„Nein. Ross war in Wales. Er wusste nicht einmal, dass sein Bruder tot war. Er erfuhr es erst einen Monat später. Doch er gab sich selbst die Schuld, weil er nicht mit Lion gegangen war. Er dachte, wenn er dort gewesen wäre ... “
„Wäre Lion nicht getötet worden.“ Laurel wusste, wie das war. Sie gab sich die Schuld, in Edin geblieben zu sein, während Großvater in den Hinterhalt der Wegelagerer geraten war. Mit schwerem Herzen hörte sie Carinas Erzählung, wie Ross nach Curthill reiste, um den Mörder seines Bruders zu finden, und über seine Vermählung mit Megan und deren Reise in die Highlands, um Kieran vor Comyn MacDonnel zu retten, jenem Verrückten, der Lion ermordet hatte, um selbst Siusan ehelichen zu können. „Doch warum zogen sie Kieran als ihren eigenen Sohn auf?“
„Man glaubte, Megan könnte keine Kinder gebären. Doch vielmehr, weil Kieran der nächste Laird des Clan Carmichael gewesen wäre, hätten Lion und Siusan sich vermählt. Ross dachte, er wäre es dem Andenken seines Bruders schuldig, Kieran zu seinem Erben zu machen. “
„Das war falsch“, sagte Laurel. „Als Kieran es herausfand, fühlte er sich von allen betrogen, selbst von seinen toten Eltern, weil sie ihn verlassen hatten.“
Carina nickte traurig. „Sie hätten es ihm sagen sollen, doch die Zeit ging vorbei, und es schien niemandem wehzutun. Kieran war neun, als Megan Ewan zur Welt brachte, den ersten ihrer beiden Söhne. Elspeth und ich drängten darauf, Kieran die Wahrheit zu sagen. Doch Ewan war kränklich und Ross immer noch bemüht, seine Schuld Lion gegenüber wieder gutzumachen. Auch hatte mein Gatte Ross einst beschuldigt, selbst Laird werden zu wollen, und er wollte auf diese Art seinem Vater beweisen, dass er falsch von ihm dachte.“
„Was hat Ross’ Meinung über Kieran geändert?“ fragte Duncan.
„Kieran selbst“, sagte Carina traurig. „Lionel wurde wenige Tage zuvor beerdigt. Nach seinem Tod war Ross nun der Laird und sehr besorgt, was seinen Nachfolger anging. Mit seinen fünfzehn Jahren hatte Kieran das hitzige Temperament seines Vaters in diesem Alter. Jede Herausforderung sah er als Möglichkeit, sich mit der Klinge zu üben. Ross’ friedliche Art ärgerte ihn, und er ermunterte einige junge Burschen, ihm zu folgen. Sosehr Ross auch Kieran liebte, so fürchtete er doch, dass er zu kämpferisch veranlagt sei und den Frieden zerstören könnte, den Ross sein Leben lang versucht hatte zu schützen, damit die Carmichaels in Wohlstand leben konnten.“ Tränen traten in ihre Augen. „Er wollte dem Burschen die Wahrheit sagen, Kieran erklären, dass Ewan der rechtmäßige Erbe sei, und ihm Curthill anbieten.“
„Und Kieran hörte das und missverstand es.“
Carina nickte. „Elspeth und Lucais waren auf Carmichael zu Lionels Beerdigung. Es war meine lebhafte Tochter, die mit Ross haderte, als Kieran hinzukam. Elspeth bestand darauf, dass Ross Kieran nicht seines Erbes berauben konnte, nachdem er ihn all die Jahre hatte glauben lassen, er sei sein Sohn und der künftige Anführer.“ Sie seufzte. „Der Streit wurde hitzig. Elspeth warf Ross vor, dass er die Schuld am Tod von Kierans Vater trage ..."
„Welch schreckliche Art, die Wahrheit zu erfahren“, sagte Laurel.
„Oder Teile davon“, fügte Duncan hinzu. „Warum habt ihr
dem Burschen nicht alles erklärt?“
Carina blickte auf ihre Hände, die gefaltet in ihrem Schoß lagen. „Wir versuchten es, doch die Tatsache, dass Ross Kieran durch Ewan ersetzen wollte, verletzte nicht nur den Jungen tief, sondern überzeugte ihn auch, dass Ross schuldig war. Er dachte, Ross hätte Lion getötet, und wäre von Lionel und mir gezwungen worden, ihn als seinen Sohn zu erziehen. Nun, da Lionel tot war, hätte er einen guten Grund gefunden, um ihn seines Erbrechtes zu entheben. Kieran weigerte sich zuzuhören, flüchtete sich in Zorn, für den schon sein Vater berüchtigt gewesen war, und stürmte aus der Burg. Rhys bot an, ihn zurückzuholen. Das war das Letzte, was wir von den beiden Burschen sahen. Sie schlichen sich heimlich zurück in die Burg, holten sich ihre Habseligkeiten und zogen mit der Überzeugung davon, dass Ross Lion getötet habe und der Rest von uns es entschuldige.“ Sie seufzte tief.
Der Anblick ihrer zarten Schultern, die unter der Last bebten, ließ Laurel hochfahren und die Arme um die leidende Carina legen. „Es tut mir so Leid“, war alles, was sie sagen konnte.
Carina umarmte Laurel
Weitere Kostenlose Bücher
Eis und Dampf: Eine Steampunk-Anthologie (German Edition) Online Lesen
von
Mike Krzywik-Groß
,
Torsten Exter
,
Stefan Holzhauer
,
Henning Mützlitz
,
Christian Lange
,
Stefan Schweikert
,
Judith C. Vogt
,
André Wiesler
,
Ann-Kathrin Karschnick
,
Eevie Demirtel
,
Marcus Rauchfuß
,
Christian Vogt