Das Erbe des Loewen
Steinbrocken gegen das Tor zum Geheimgang wälzte, damit es nicht wieder geöffnet werden konnte.
„Sieh dir Vater und Lady Carina an.“ Nesta blieb mit einem Speisebrett in den Händen an der Schwelle zum Söller stehen.
Laurel blickte über die Schulter ihrer Tante auf die beiden, die am Kamin saßen. Gekleidet in fellverbrämten Nachtgewändern, Decken auf dem Schoß, sahen sie aus wie ein zärtlich verliebtes Paar. Duncan lachte laut über etwas, das Carina gesagt hatte, und sah jünger und gesünder aus als vor seiner Ver-wundung. Lady Carina strahlte im Feuerschein.
„Sie lieben einander“, wisperte Nesta. „So gut er auch zu meiner Mutter war, ich habe immer gefühlt, dass er nicht wirklich glücklich war. Nun weiß ich, warum.“ Sie sagte das ohne Groll.
„Ich bin froh, dass dieses Durcheinander jemanden erfreut“, verkündete Laurel. Trotz Carinas Widerspruch hatte man die Carmichaels in die Kornkammer gesperrt. Ein zorniger Kieran war davongeritten, um sich mit Rhys zu besprechen. Er hatte nicht mit Laurel gesprochen, noch viel weniger hatte er ihr einen Abschiedskuss gegeben.
„Ah, da kommt Nessie mit unserem Essen!“ rief Duncan.
Carina wandte sich um, ihr Lächeln wich einem bedachtsamen Ausdruck von Schuldgefühl. Laurel suchte nach einem Weg, sie zu beruhigen, doch Nesta war schneller. „Ich bin froh, dass Ihr gekommen seid, Lady Carina. Ihr seid eine weitaus stärkere Arznei für meinen Vater als jedes Kraut oder Pulver, das ich ihm verabreichen kann.“
Lady Carina blickte lächelnd zu Duncan. „Er war bereits auf dem Wege der Genesung. Ich bin bloß eine kleine Abwechslung für ihn“, sagte sie bescheiden.
„Das warst du niemals“, widersprach Duncan. „Wenn Lionel dich nicht entführt hätte, wärst du mein Weib geworden.“
Lady Carina seufzte. „Ich liebte Lionel, Gott gebe seiner Seele Frieden.“
„Nur das Wissen, dass du ihn liebtest, hinderte mich daran, ihn herauszufordern.“
„Und die Tatsache, dass ich bereits guter Hoffnung mit Lion war, als du endlich herausfandest, wohin er mich gebracht hatte“, fügte Carina hinzu.
Laurel wurde hin und her gerissen von widersprüchlicher Loyalität. Als Kierans Gemahlin sollte sie seine Feinde meiden. Doch waren die Carmichaels seine Feinde? Oder war alles bloß ein schreckliches Missverständnis? „Bitte, erzählt mir von Lion.“
Lady Carinas Lächeln wurde bittersüß. „Er war unser Erstgeborener, getauft auf den Namen Lionel, doch wurde er nur Lion gerufen. Es war sehr passend, denn Lion war stark, wild und besaß das hitzige Temperament seines Vaters. Er war mir sehr teuer, und ich betrauere immer noch seinen Verlust ... noch mehr, seit sein Tod unsere Familie auseinander brachte.“
„Hat Ross ihn getötet?“ stieß Laurel hervor.
„Nein, das hat er nicht.“ Carinas Stimme klang fest.
„Doch ... doch Kieran erzählte mir, er hörte seinen Va... äh, Onkel sagen, dass er Schuld an Lions Tod habe.“
„Ja.“ Carina erschauderte, sie schloss die Augen und beugte den Kopf.
Laurel war besorgt, füllte einen Becher mit Wein und führte ihn an die Lippen der alten Dame. „Ihr müsst nicht davon berichten, wenn es für Euch schmerzlich ist“, sagte sie zärtlich.
Carina blickte auf und lächelte schwach, dann nahm sie einen kräftigen Schluck Wein. „Du bist eine liebe, fürsorgliche Frau. Ich bin glücklich, dass Kieran jemanden wie dich gefunden hat, denn wenn Rhys’ Briefe wahr sind, dann hat mein Enkel wenig Liebe in seinem Leben erfahren.“
„Rhys hatte Verbindung zu Euch?“ fragte Laurel.
„Eigentlich mit seinen Eltern. Chrissy, seine Mutter, ist eine entfernte Base, sein Vater die rechte Hand von Ross. Oh, Rhys hat nichts von Kierans Plänen offenbart, er ließ uns bloß von Zeit zu Zeit wissen, wo sie sich befanden und dass es ihm gut ging. So weit das bei einem fahrenden Ritter möglich ist.“ Sie verzog das Gesicht. „Lion hätte solch ein Leben geliebt. Doch das Bewusstsein, dass Kieran zu diesem Leben gezwungen war, war nahezu so unerträglich wie das Wissen, dass er uns alle hasste, als er uns verließ.“
„Nein, er liebt zumindest Euch noch immer“, sagte Laurel.
Carinas Augen begannen zu strahlen. „Wirklich? Hat er das gesagt?“
„Kieran ist mit Worten sehr sparsam. Doch wenn Euer Name erwähnt wird, dann spüre ich in ihm Schmerz und ... und Sehnsucht.“
„Meine Enkeltochter ist eine Seherin“, sagte Duncan stolz. Einen Tag zuvor hätte sie sich gesonnt in seinem
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