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Das Erbe des Zauberers

Das Erbe des Zauberers

Titel: Das Erbe des Zauberers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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sich den Hut zurecht und trat entschlossen näher.
    »Na schön«, sagte sie. Knallwinkel schwankte: Grannys Stimme schnitt ihm wie eine Diamantensäge durch den Geist. Er erinnerte sich vage daran, als kleiner Junge von seiner Mutter getadelt worden zu sein. In dieser Hinsicht wirkte der Tonfall zumindest teilweise vertraut. Aber der Hexe gelang es meisterlich, ihn zu verschärfen und mit einem verbalen Schleifmittel zu versehen. Vermutlich hätte er sogar eine Leiche dazu gebracht, Haltung anzunehmen und über den ganzen Friedhof zu marschieren, bevor ihr einfiel, daß Tote überhaupt nicht gehen können.
    Granny stand vor dem Zauberstab, und der heiße Zorn in ihrem Blick schien das Eis auf dem Holz zu schmelzen.
    »Ist das deine Vorstellung von anständigem Betragen, hm? Hältst du es für angebracht, im Meer herumzuschwimmen, während Menschen sterben? Du solltest dich was schämen!«
    Sie legte die Hände auf den Rücken und marschierte auf und ab. Knallwinkel stellte zu seiner großen Verwunderung fest, daß ihr der Blick des Stabs folgte.
    »Man hat dich weggeworfen«, zischte Oma Wetterwachs. »Na und? Esk ist kaum mehr als ein Kind, und Kinder lassen uns irgendwann im Stich. Aber deshalb brauchst du nicht gleich zu schmollen! Ich finde es empörend, daß du hier herumliegst und dich selbst bemitleidest, obgleich du dich endlich mal nützlich machen könntest. Das Mädchen braucht dich, aber du willst ihm unbedingt einen Denkzettel verpassen, wie?«
    Sie beugte sich vor, bis ihre Hakennase nur noch wenige Zentimeter von dem Stab entfernt war. Knallwinkel glaubte zu erkennen, wie das magische Holz versuchte, vor der Hexe zurückzuweichen.
    »Soll ich dir sagen, was mit frechen und aufsässigen Zauberstäben passiert?«, fauchte Granny. »Möchtest du wissen, was dir blüht, wenn es uns nicht gelingt, Esk zu retten? Dir blieb einmal das Feuer erspart, weil du den Schmerz auf sie übertragen hast. Diesmal kommst du nicht so leicht davon. Heiße Glut wäre eine viel zu milde Strafe für dich.«
    Ihre Stimme wurde zu einem unheilvollen Flüstern.
    »Zuerst bearbeite ich dich mit einem Hobel. Dann nehme ich Sandpapier und schmirgle dich hübsch glatt. Und anschließend wirst du erfahren, was Bohrer und Messer anrichten können …«
    »Das genügt«, warf Knallwinkel hastig ein und wischte sich Tränen aus den Augen.
    »… und was dann noch von dir übrig ist, werfe ich Holzwürmern, Termiten und hungrigen Käfern zum Fraß vor. Du wirst jahrelang leiden.«
    Die Schnitzmuster zitterten. Die meisten von ihnen verbargen sich auf der Rückseite des Zauberstabs.
    »Nun«, fuhr Oma Wetterwachs fort, »ich schlage vor, wir kehren gemeinsam zur Universität zurück, in Ordnung? Du weißt ja, was dir blüht, wenn du weiterhin stur bleibst, nicht wahr? Ritzeritze«, fügte sie hinzu und versuchte, das Geräusch einer Säge nachzuahmen.
    Sie rollte einen Ärmel hoch und streckte die Hand aus. »Zauberer«, sagte sie, »ich möchte, daß du ihn freigibst.«
    Knallwinkel verzog das Gesicht und nickte.
     
    Knallwinkel schlug die Augen wieder auf.
    Oma Wetterwachs hielt den linken Arm weit ausgestreckt, und ihre Finger schlossen sich um den Zauberstab.
    Das Eis stob davon, verdampfte innerhalb von Sekundenbruchteilen und bildete dichte Dampfwolken.
    »Also gut«, brummte Granny. »Und wenn du noch einmal ungehorsam bist, werde ich sehr böse. Habe ich mich klar genug ausgedrückt?«
    Knallwinkel ließ die Hände sinken und eilte auf die Hexe zu. »Bist du verletzt?«
    Granny schüttelte den Kopf. »Es fühlt sich an, als hielte man einen heißen Eiszapfen«, sagte sie. »Komm jetzt! Wir haben nicht genug Zeit, um hier herumzustehen und zu schwatzen.«
    »Wie kehren wir zurück?«
    »Himmel, nun verzag doch nicht gleich. Mann! Kopf hoch und guten Mutes! Wir fliegen.«
    Sie zeigte auf ihren Besen. Der Erzkanzler betrachtete ihn skeptisch. »Mit dem Ding?«
    »Na klar. Reiten Zauberer nicht auf ihren Stäben durch die Gegend?«
    »So etwas sieht ziemlich unwürdig aus.«
    »Das nehme ich in Kauf. Und ich rate dir, meinem Beispiel zu folgen.«
    »Meinetwegen. Aber ist der Besen sicher?«
    Granny betrachtete ihn mit einem vernichtenden Blick.
    »In einem absoluten Sinn?«, fragte sie. »Oder im Vergleich dazu, auf einer schmelzenden Eisscholle zu stehen?«
     
    »Ich bin noch nie zuvor mit einem Hexenbesen geflogen«, sagte Knallwinkel.
    »Ach?«
    »Ich dachte, man nähme einfach darauf Platz, und schon ging’s los«, fügte der

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