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Das Erbe des Zauberers

Das Erbe des Zauberers

Titel: Das Erbe des Zauberers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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der Erzkanzler nach einer Weile. »Sehr mächtig.«
    Er preßte sich die Fingerspitzen an die Schläfen.
    »Es wird verdammt kalt«, brummte Oma Wetterwachs. Der Nieselregen verwandelte sich in Schnee.
    Eine plötzliche Veränderung erfaßte die Welt. Das Boot verharrte, aber nicht etwa mit einem plötzlichen Ruck. Man konnte den Eindruck gewinnen, als habe das Meer von einem Augenblick zum anderen zu erstarren beschlossen. Granny beugte sich vor und blickte nach unten.
    Der Ozean war fest und massiv. Nach wie vor hörten sie das Rauschen der Wellen, aber dieses Geräusch schien in immer weitere Ferne zurückzuweichen.
    Oma Wetterwachs streckte die Hand aus und klopfte aufs Wasser.
    »Eis«, sagte sie. Das Boot lag auf einer großen Scholle, die bedrohlich knackte.
    Knallwinkel nickte.
    »Es ergibt durchaus einen Sinn«, meinte er. »Wenn unsere Vermutung zutrifft und sich Simon und Esk wirklich an jenem Ort befinden, so dürfte es dort ziemlich kalt sein. Kalt wie die Nacht zwischen den Sternen, so heißt es. Und das spürt auch der Zauberstab.«
    »Genau«, bestätigte Granny und kletterte aus dem Boot. »Jetzt brauchen wir nur noch die Mitte der Eisfläche zu finden. Dort wartet der Stab auf uns, nicht wahr?«
    »Ich wußte, daß du so etwas sagen würdest. Darf ich wenigstens meine Stiefel anziehen?«
    Sie wanderten über die gefrorenen Wellen. Ab und zu blieb Knallwinkel stehen und versuchte, das Ziel magisch anzupeilen. Auf seinem durchnäßten Mantel bildeten sich dünne Eisschichten, und er klapperte laut mit den Zähnen.
    »Ist dir nicht kalt?«, fragte er die Hexe, deren Röcke leise knisterten. »Doch, schon«, gestand sie ein. »Ich zittere nur nicht.«
    »Als Kind habe ich viele solche Winter erlebt«, krächzte Knallwinkel, hielt sich die Hände vor den Mund und hauchte auf die gefühllosen Finger. »Aber in Ankh-Morpork schneit es nur selten.«
    »Was du nicht sagst«, erwiderte Granny und starrte durch den Frostdunst.
    »Wenn ich mich recht entsinne, blieb der Schnee selbst im Sommer auf den Berggipfeln liegen. Ach, heute wird’s nicht mehr so kalt wie damals, als ich noch ein Junge war.«
    Zerknirscht fügte er hinzu: »Jedenfalls dachte ich das bisher. Aber das Klima überrascht einen immer wieder, besonders dann, wenn Magie im Spiel ist.«
    Er stampfte mit den Füßen auf, und das Eis knackte warnend, erinnerte ihn daran, daß es die einzige Barriere zwischen ihm und den Seeungeheuern in der dunklen Tiefe darstellte. Er stampfte erneut, so vorsichtig wie möglich.
    »Wo bist du aufgewachsen?«, fragte Oma Wetterwachs.
    »Oh, in den Spitzhornbergen. Unweit der Scheibenmitte, um ganz genau zu sein. In einem Dorf namens Blasnacken.«
    Grannys Lippen bewegten sich. »Knallwinkel, Knallwinkel«, sagte sie leise. »Stammst du vielleicht aus der Familie von Acktur Knallwinkel? Er wohnte in einem großen Haus unter dem Springgrat und hatte viele Söhne.«
    »Mein Vater. Hast du ihn etwa gekannt?«
    »Ich wurde in der Nähe geboren«, erwiderte sie und widerstand der Versuchung, wissend zu lächeln. »Im nächsten Tal. Blödes Kaff. Deine Mutter war eine nette Frau. Hielt braune und weiße Hühner. Ich besuchte sie des öfteren und kaufte Eier von ihr. Bevor ich mich der Hexerei zuwandte.«
    »Im Ernst?«, fragte der Erzkanzler verblüfft. »Nun, es ist schon eine ganze Weile her, und inzwischen läßt mein Gedächtnis ein wenig zu wünschen übrig. Außerdem gab es damals in Blasnacken ziemlich viele Kinder.«
    Er seufzte. »Wahrscheinlich habe ich dich irgendwann mal am Haar gezogen oder gekniffen. So etwas machte mir damals viel Spaß.«
    »Vielleicht. Ich entsinne mich an einen dicken und eher häßlichen Jungen.«
    »Könnte ich gewesen sein. Nun, ich erinnere mich an ein rechthaberisches und herrisches Mädchen. Aber wie gesagt: Es ist schon sehr lange her.«
    »Damals war mein Haar noch nicht weiß«, sagte Granny. »Damals hatte alles eine andere Farbe.«
    »In der Tat.«
    »Im Sommer regnete es nicht so oft.«
    »Wenn die Sonne unterging, glühte sie in einem satteren Rot als heute.«
    »Es gab mehr alte Leute«, brummte der Zauberer. »Es wimmelte geradezu von ihnen.«
    »Ja, ich weiß. Und nun ist die Welt voller junger Leute. Eigentlich komisch. Ich meine, normalerweise müßte es genau umgekehrt sein.«
    »Selbst die Luft war damals besser«, fügte Knallwinkel hinzu. »Man konnte sie leichter atmen.«
    Sie stapften durch den wirbelnden Schnee und dachten über die seltsamen Launen von Zeit

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