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Das Erbe des Zitronenkraemers

Das Erbe des Zitronenkraemers

Titel: Das Erbe des Zitronenkraemers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Kirchen
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Schnee und Matsch.
    Derweil schliff ich die Steine, die ich im Laufe des Sommers geschürft hatte. Aus den großen, bunten, deren vielfache Farben scheinbar ineinanderliefen, werkte ich hauchdünne, gläsern aussehende Schalen oder gar Kelche. Mehr als einmal war mir ein Stück kurz vor seiner Vollendung zersprungen. Dann war die mühevolle Arbeit von Wochen umsonst gewesen. Aber viele Stücke gelangen. Aus rotem Jaspis entstanden Medaillons und wie Perlen aussehende Kugeln. Aus Bergkristall schliff ich die schönsten Anhänger, mit denen Halsketten, Armreife und Ohrgeschmeide bestückt werden konnten. Ich wusste, auf was die Düsseldorfer Händler erpicht waren. Und jeden Morgen schaute ich sehnsuchtsvoll die Straße entlang; aber keine Kutsche aus Düsseldorf traf in Idar ein. Dennoch, meine Zeit war nicht vergeudet, denn ich verkaufte gut. Meine Hände waren gezeichnet von Frostbeulen und Schwielen, und es kam, wie es kommen musste; am Weihnachtsabend konnte ich das Bett nicht verlassen, so sehr schüttelten mich Husten und Fieberkrämpfe. Johann spielte neben meinem Bett mit dem glänzenden Ross, das ich tagelang nur für ihn geschliffen hatte.
    Katharina bangte um mich und ließ eine Kräuterfrau stinkende und ganz und gar widerliche Sude kochen. Doch die bittere Medizin zeigte Wirkung: Mein Zustand besserte sich von Tag zu Tag.
    Am Neujahrsmorgen klopfte es an der Tür. Ich saß am Tisch, nahe dem Ofen, gekleidet in ein leinenes Nachtgewand, zusätzlich warm gehalten von wollenen Decken. Katharina öffnete, und vor der Tür standen die lang herbeigesehnten Kaufleute aus Düsseldorf! Nervös sprang ich von der Bank auf, vergessend, wie ich gekleidet war, und wollte den Herren sogleich meine Arbeiten präsentieren.
    Katharina schickte mich, ein passendes Gewand anzulegen und bewirtete die Händler derweil mit heißem, gewürztem Wein und süßem Kuchen.
    Eine Woche später hatten meine Frau und ich all unsere Habe auf einem Wagen verstaut. Johann saß dick eingewickelt zwischen uns auf dem Kutschbock. Der Abschied von meinen Kameraden war schmerzlich, aber ich versicherte ihnen, jedes Jahr wiederzukommen, um Steine und Schmuck von ihnen zu erwerben.
    Unser altes kleines Haus hatten wir gegen ein mächtiges Zugpferd getauscht. Die anderen Kutschen und Wagen waren bereits in einer Reihe aufgestellt, und wir bildeten das Schlusslicht dieses Zuges. Endlich ging es los! Mit Bangigkeit und gleichzeitig in großer Erwartung ließ ich endlich die Peitsche über dem breiten Pferderücken knallen. Wir folgten den anderen Wagen, den Händlern aus Düsseldorf, die vollbeladen mit Edelsteinen zurück zu ihren Geschäften fuhren. Auch ich hatte viel Wertvolles geladen, und ich war gespannt darauf, was ich in Düsseldorf alles damit erreichen würde.
     

Kapitel 26
     
    Mit der ersten Besuchergruppe trat Andreas am nächsten Morgen endlich durch die hölzerne, knarrende Tür der „historischen Weiherschleife“. Empfangen wurde er von staubiger Luft, vermischt mit dem abgestandenen Geruch von altem Holz, Stein und Eisen sowie fremdartiger Chemikalien. Andreas musste für einen kurzen Moment den Atem anhalten; dann erst begann er sich umzusehen. Er fühlte sich tatsächlich wie ein Zeitreisender. Der Stollenführer erklärte und demonstrierte die alten Maschinen und die großen Sandsteinschleifräder, die, angetrieben über Seilläufe, mit dem Wasserrad an der Außenseite des Hauses verbunden waren. Er demonstrierte auch das Arbeiten am Schleifrad. Bäuchlings auf einem Schemel liegend, andauernd kaltes Wasser über die Hände rinnend, presste er den Achat mit aller Kraft gegen den Sandstein.
    Andreas glaubte, Jacobs Anwesenheit zu spüren. Auch wenn es nicht diese Schleife war, in der Jacob gearbeitet hatte. Seine „Rischenschleife“ wird ähnlich ausgesehen haben. Später hatte man diese Schleife aus unbekannten Gründen in „Untere Gurtenschleife“ umbenannt. Das wusste Andreas dank seiner Recherchen. Nur widerwillig folgte er der Gruppe aus dem Gebäude heraus.
    Andreas hatte beschlossen, der weiteren Führung nicht mehr zu folgen.
    Er zog für sich allein weiter, um die Anlage auf eigene Faust zu erkunden. Er fand eine Darstellung aller früheren Schleifen, gelegen am Idarbach, auf einer großen Steintafel. Er suchte und entdeckte darauf ein Bild der „Unteren Gurtenschleife“, erbaut im Jahre 1680. Jacobs Schleife.
    Leider existiert sie heute nicht mehr.
    Als Andreas sich umdrehte, sah er die übrigen Mitglieder

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