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Das Erbe des Zitronenkraemers

Das Erbe des Zitronenkraemers

Titel: Das Erbe des Zitronenkraemers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Kirchen
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hier antreffen. Und trotzdem, er fühlte sich seinem Vorfahren auf seltsame Weise nah. Zunächst brauchte er eine Rast. Was könnte besser geeignet sein als dieses Restaurant mit Außenterrasse direkt am Weiher, stellte er erleichtert fest.
    Andreas bestellte die Idar-Obersteiner Spezialität, wie er von einer Werbetafel erfuhr: Spießbraten. Eigentlich war es schon zu spät. Es war bereits nach 14.00 Uhr und Spießbraten gab es nur bis zwei. Aber die Kellnerin wollte den Chef fragen. Sie spricht wie der Lieferwagenfahrer. Wohl der hiesige Dialekt, vermutete Andreas. Aber sie wechselte in ein verständliches Hochdeutsch, als sie seinem fragendem Blick begegnete. Touristen waren sie hier gewohnt. Außerdem erkundigte Andreas sich nach einer Möglichkeit, seine Batterie aufladen zu können, und die Kellnerin verwies ihn auf einen Nebenraum.
    Nach den Strapazen des Tages gönnte er sich ein großes Bier, und sein Spießbraten wurde kaum 20 Minuten später serviert. Andreas fühlte sich fast wie im Urlaub.
    Es war ein geradezu herrlicher, sogar recht warmer Herbsttag.
    Die Kellnerin schnitt auf seine Bitte hin wortlos sein Fleisch in mundgerechte Stücke. Andreas war peinlich berührt, wusste sich aber nicht anders zu behelfen. Er war einfach dankbar und freute sich zum ersten Mal darauf, seine Prothese frisch aufgeladen wieder anlegen zu können.
    Von seinem Platz auf der Terrasse aus las Andreas ein Schild auf der gegenüberliegenden Straßenseite. „Fußweg zum Steinkaulenberg“, stand darauf.
    Steinkaulenberg. Das hab ich doch schon mal gehört. Nein, gelesen! In Jacobs Geschichte. Im Steinkaulenberg waren die Stollen, in denen Jacob die Steine geschürft hatte. Dort musste Andreas unbedingt als Erstes hin. Denn zuerst kam das Schürfen, darauf folgte das Schleifen. Die historische „Weiherschleife“ musste also noch ein wenig auf seinen Besuch warten.
    Gewandert war er für heute eigentlich schon genug. Aber Andreas tröstete sich mit dem Gedanken, dass sein Vorfahr wohl jeden seiner Tage diesen Weg hier hatte erklimmen müssen. Andauernd ging es steil bergauf, und Andreas keuchte, als er nach einer Dreiviertelstunde endlich den Galgenberg erreicht hatte, einen mittelalterlichen Gerichts- und Hinrichtungsplatz, wie Andreas auf einem Hinweisschild las. Er mochte gar nicht an all die armen Seelen denken, die von diesem Ort aus in den Himmel aufgestiegen sein mochten. Er ließ diese Gedanken hinter sich und wanderte weiter Richtung Besucherstollen. Ich werde selbst einen solchen Stollen sehen! Eifrig beschleunigte Andreas seine wehen Füße.
    Gekennzeichnet mit einem weißen Steinchen, demnach zugehörig zur weißen Besuchergruppe, stand Andreas schließlich vor dem Stolleneingang. Er setzte sich wie alle anderen einen gelben Schutzhelm auf den Kopf, und endlich ging es hinein in die Höhle.
    Das obligatorische Erinnerungsfoto wurde geschossen, und Andreas erfuhr von dem Stollenführer, neben ein paar wissbegierigen Iren und Holländern, wie es zur Entstehung der Edelsteine durch Vulkanausbrüche, Lavaströme, Einschmelzung von allen möglichen Mineralien sowie Metamorphose vor Jahrmillionen in der Region gekommen sei. Dies alles hat Jacob sicher nie gelernt. Er hat einfach nur die Resultate dieser Naturereignisse aus der Erde geholt, sinnierte Andreas.
    Und dann ging es tiefer hinab. Und der Stollenführer leuchtete mit seiner Taschenlampe den Fels aus. Andreas sah es überall funkeln und glitzern. Unter ihm, über ihm, neben ihm in der Steinwand. Er lernte Drusen kennen, graue Steinhüllen, die nicht vollständig von Edelsteinen ausgefüllt waren, und Mandeln, die vollkommen mit den glitzernden Steinen bestückt waren. Er sah Achate, Amethyste, Jaspis und Bergkristall. All diese Namen kannte Andreas bereits aus Jacobs Beschreibungen. Die Führung ging weiter, vorbei an unterirdischen Seen. Der Stollenführer wies auf einen Holzpflock hin, der in den Stein getrieben war. „Um das Gestein zu sprengen, wenn es sich mit dem Sickerwasser vollgesogen hat“, murmelte Andreas unbedacht laut. Woher er das wisse, ob er schon mal hier gewesen sei?, wollte der erstaunte Stollenführer von ihm erfahren. „Oh nein“, winkte Andreas ab, „nur … ein Verwandter … war schon mal vor mir hier und hat es mir erzählt.“ Andreas wurde schaurig zumute. Er blickte in einen kleinen Seitenstollen. Nicht mal einen Meter im Durchmesser! Er hörte den Führer nur noch in der Ferne referieren; dass die Männer hier nur noch kriechen

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