Das Erbe des Zitronenkraemers
nie in Trier angekommen, zumindest hatte niemand Kenntnis davon. Die Kunstgesellschaft zeigte sich entrüstet, die Direktorin beschämt.
Was geht hier nur vor? Andreas schluckte hörbar. Mühsam löste er die Prothese von seinem Stumpf und warf sie achtlos auf das Sofa. Er schaute Claire mit wutentbranntem Blick an. „Aber wie soll ich ihm das jetzt erklären?“, brüllte er. „Ich habe Schönemann den Schmuck versprochen!“ Claire erschauerte und war glücklich zugleich. Ihr Mann war nicht mehr das hilflose Kind, unfähig, Entscheidungen zu treffen. Im Gegenteil, aus ihm sprach Kampfgeist und Wille. Endlich wieder!
„Das lassen wir uns nicht bieten. Wir werden alles tun, um diese Sache aufzuklären!“, bestimmte er entschlossen.
Dann klingelte das Telefon.
Die Anwälte hatten äußerst brisante Neuigkeiten mitzuteilen.
Kapitel 28
„Wir müssen mal irgendwas machen, um uns abzulenken.“ „Ja, ja“, murrte Hannes, „aber muss es denn ausgerechnet …?“
Hannes imitierte perfekt Paulas mitleiderregenden Blick, den sie regelmäßig an den Tag legte, wenn sie gelegentlich allein zuhause bleiben sollte. Anne ließ sich nicht beeindrucken und entschloss sich zum Konter. „Aber ich wollte das schon immer mal machen. Bitte Hannes, tu`s für mich!“ Jetzt war es an Anne, wie Paula dreinzuschauen. „Außerdem kann ich mich jetzt nicht mehr drücken!“, erwiderte sie. „Ich habe es doch schon überall stolz herumerzählt, dass wir das heute machen wollen, auf der Arbeit, im Reitstall. Die werden mich alle für einen Angsthasen halten.“
Hannes seufzte aus tiefster Seele. „Na gut“, gab er nach. Letztendlich konnte er auch Paula bei diesem Blick niemals ein Stück Steak verwehren.
„Juhu“, jubelte Anne und fiel Hannes um den Hals. „Du wirst sehen, das lenkt uns ab. Da haben wir mal ein bisschen Adrenalinüberschuss und Todesängste ohne echte Bedrohung“, philosophierte sie aufgeregt und hätte am liebsten gleich losgelegt.
Geschlagene zwei Stunden später brausten die beiden auf der Autobahn Richtung Wittlich. So lange hatte Hannes gebraucht, um ein paar Turnschuhe und eine alte Trainingshose im hintersten Winkel seines Kellers aufzuspüren. Sportbekleidung zählte nicht unbedingt zu Hannes täglicher Garderobe. Aber nun war alles perfekt, auch wenn perfekt vielleicht nicht das passende Wort war; die Hose hatte leider keinen Knopf, und Hannes zermarterte sich das Hirn, wie er unauffällig den unverschämt zwickenden Gummizug durchtrennen könnte. Allerdings, so ganz ohne Hose auf einer Plattform zu stehen, und das in neun Meter Höhe, ist vielleicht doch keine so verlockende Aussicht. Also, Hannes, Bauch einziehen, Blutdruck unter 200 halten und ein freudiges Grinsen aufsetzen. Eine verschwendete Anstrengung, denn Anne beachtete Hannes ohnedies nicht. Unverwandt stierte sie auf den Zettel von Jutta und studierte eine Wegbeschreibung, welche die Freundin in ihrer Grundschul-Schönschrift notiert hatte. Jutta kannte diesen Kletterpark in Traben-Trarbach bereits. Zusammen mit Michael war sie hingefahren und hatte dort einen aufregenden Tag verbracht. Jutta hatte sich nur über den Kinderparcours getraut, während Michael sich schon am ersten Hindernis von Paul zurückbringen lassen musste, da er sich vom vielen Fahrradfahren Knieprobleme zugezogen hatte. Aber damit sei vorerst Schluss, irgendwo habe er einen seiner teuren Schuhe verloren. Jutta hatte unentwegt gekichert, als sie Anne davon berichtete. Eine Sportskanone sei ihr Michael ja nun mitnichten. Seine Stärken lägen eher im intellektuellen Bereich, hatte Jutta sinniert. Aber der Kletterpark, der habe ihnen beiden wirklich gutgetan. Diese Konfrontation mit den eigenen Grenzen, das habe schon etwas, das hätte sie nur noch mehr zusammengeschweißt. Und beim nächsten Mal würden sie sich auch mehr zutrauen. Jutta hatte sehr bedauert, Hannes und Anne nicht in den Adventure-Park begleiten zu können, aber Michael musste leider auch samstags Dienst im Museum tun.
Anne beglückwünschte sich im Stillen zu Michaels Dienstplan. Misstraute sie ihm doch unendlich. Auch wenn sie ihm nicht wirklich zutraute, Hannes umbringen zu wollen. Aber wer weiß? Auf jeden Fall hatte Hannes ihn bei der Polizei angeschwärzt. Ein klein wenig verspürte Anne ein schlechtes Gewissen. Noch ahnte Jutta nichts davon. Und so betrachtet wäre es unter Umständen gar nicht schlecht gewesen, Michael heute dabei zu haben, hatte Anne detektivisch überlegt.
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