Das Erbe
stören. »Die da draußen«, er deutete zur Tür. »Die verfolgen ein Phantom. Sie jagen den Falschen. Wir müssen hier eigentlich nur warten.« Nun beugte er sich nach vorne und seine Stimme senkte sich zu einem Flüstern. »Bis ich dem Spuk ein Ende bereite. Das ist lustig, oder?«
So richtig begriff Rose nicht, was Tom sagen wollte. Nur langsam setzten sich seine Worte zu einem Bild zusammen. Für einen Moment fühlte sie sich erleichtert. Der Gedanke an einen Fehlalarm stieg wieder in ihr hoch. Aber dagegen sprachen die Schüsse, die gefallen waren. Zudem hätte man sie schon längst benachrichtigt, wenn die Gefahr vorüber wäre.
Andererseits hatte Tom recht. Angenommen, irgendjemand machte sich einen Spaß daraus, das ganze College in Panik zu versetzen? Das Gebäude war groß, alt und unübersichtlich. Würden die Sicherheitskräfte den Attentäter überhaupt so schnell finden? Ein Gedanke jagte den nächsten. Die Videoüberwachung, schoss ihr durch den Kopf. Das ganze Gebäude wurde überwacht. Nur nicht ihre Apartments. Zumindest hoffte sie das.
Ihr Blick ging hoch zu der Kamera, die rechts oben neben der Tür angebracht war. Man konnte sie von draußen sehen. Daran hatte sie noch gar nicht gedacht. Mit dem nächsten Atemzug stieg Erleichterung in ihr hoch.
Toms Stimme riss Rose aus ihren Überlegungen. »Kommen wir zum zweiten Akt«, erklärte er und legte das Handy vor sich auf den Tisch. Dann fing er betont langsam an, die Knöpfe seines Mantels zu öffnen. »Aber dazu brauchen wir die nötigen Requisiten.«
Rose begriff zunächst nicht, was genau er da aus der Innentasche des Mantels zog.
Alles, was sie erkannte, war ein schwarzer Kasten. Er hatte in etwa die Maße eines Taschenbuches und war ziemlich dick. Tom hielt ihn mit beiden Händen nach oben, während alle Blicke auf ihn gerichtet waren. Bewegung kam in die Gruppe. Niemand erhob sich, keiner verließ seinen Platz, aber eine Unruhe entstand. Es war Katie, die die Spannung löste und fragte: »Okay und was soll das sein?«
»Das, Miss West«, Tom beugte sich nach vorne, »ist meine Versicherung, dass alles so geschieht, wie ich will.« Er streichelte über die glatte Oberfläche. »Glaubt ihr, es ist kompliziert, so ein Ding zu bauen?« Er stellte den Kasten auf das Pult. »Nein, nicht wirklich.« Er schüttelte den Kopf. »Kompliziert wird es erst bei der Frage, wie man es auslösen kann.« Er griff wieder in seinen Mantel, diesmal in die Außentasche, und zog vorsichtig ein kleines Gerät hervor, das einer Mini-Fernbedienung ähnelte. »Aber dafür hab ich ja glücklicherweise dieses Baby hier.« Er blickte in die Runde. »Gut, seine Reichweite ist nicht die größte, aber für den Hausgebrauch tut er es.« Er steckte es wieder zurück in die Tasche. »Man muss nur vorsichtig sein, dass man nicht aus Versehen auf den Knopf kommt. Wisst ihr, er lässt sich so leicht eindrücken. Eine unbedachte Bewegung – wenn man ihn zum Beispiel fallen lässt – und buff – all das hier geht in die Luft.«
Die Wahrheit drang nur langsam in Roses Bewusstsein. Es dauerte eine Weile, bis sie verstand, was Tom ihnen sagen wollte.
»Jetzt können wir nur noch warten«, erklärte Tom.
Katie war aufgesprungen. »Willst du im Ernst behaupten, dass das Ding da eine Bombe ist?«
Tom legte den Kopf schief. »Und wenn Sie überhaupt nichts allein durch Glauben anerkennen, dann sind Sie verurteilt zu einem Leben, das von Zweifeln beherrscht wird.«
»Was soll das?« Katies Stimme war fast tonlos.
»Was das soll?« Er lachte. »Das ist eine lange Geschichte, an deren Ende ihr steht.«
Eine Sekunde herrschte Stille, dann durchdrangen hohe, spitze Schreie den Raum. Debbie. Rose sah auf ihren Mund. Wie er sich öffnete, wieder schloss.
Rose schlang intensiv die Arme um sich und dachte nur noch: Lauf weg! Raus hier! Flieh, so schnell du kannst!
Aber genau das war nicht möglich. Und sie sah in allen anderen Gesichtern dieselbe Mischung aus Überraschung und Panik und die Erkenntnis, die langsam den Raum einnahm.
Erkenntnis.
Dave Yellad hatte viel darüber geschrieben und Robert wiederholte es immer wieder, wenn er versuchte, das Tal zu erklären. »Wir müssen es verstehen, dann verliert es die Macht.«
Aber das hier, das bedeutete das Gegenteil, oder?
»Mein Gott«, kreischte Debbie jetzt los. Sie sprang auf, rannte zur Tür und hämmerte mit beiden Fäusten dagegen. »Hilfe! Warum hilft uns keiner?«
Tom blieb ruhig. »Weg von der Tür. Weg von der
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