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Das Erbstueck

Das Erbstueck

Titel: Das Erbstueck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne B Ragde
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Muschelmuster zweiter Wahl auf einer gelben Seidendecke, deren Fransen über den Boden fegten. Neben dem Tisch lag William zusammengerollt in seinem Korb, er bewegte sich nicht, als Mogens hereinkam, er hob nur ein Augenlid, das Mokkabraun vor blendendem Weiß bloßlegte.
    »Er beißt nicht. Das war gelogen. Ich will nur nicht, dass er sich an die Maler anschließt.«

    Beim Betreten des Raums hatte Mogens sich wie ein Prinz gefühlt, doch bei Poulsens Worten krampfte seine Brust sich plötzlich zusammen. Maler. Das war er also. Ein Teil der Arbeitssymmetrie in der Malerstube, die sich nicht durch eine zufällige Freundschaft mit dem Hund des künstlerischen Leiters ablenken lassen sollte.
    »Worum geht es? Setzen Sie sich. Sie wollen doch wohl nicht kündigen? Wir brauchen Sie, Herr Thygesen, kein Maler malt so schnell und sicher Muschel. Sie wissen doch, dass Sie den Akkord hochtreiben? Einige von den Mädels haben sich schon beklagt.«
    Sofort fühlte Mogens sich besser. Die Teller lagen in seiner Armbeuge, in Stoff gewickelt wie ein neugeborenes Kind.
    »Nein, ich möchte nicht kündigen, Herr Poulsen. Das nun wirklich nicht.«
    »Gut. Tee? Das ist russischer.«
    »Vielen Dank. Ja, bitte.«
    »Und Sie waren in Norwegen? Jetzt setzen Sie sich doch endlich, Herr Thygesen.«
    Sie saßen dicht beieinander, ihre Knie berührten sich fast. Poulsens Kittel war schmutziger als sein eigener und befleckt mit verräterischem Rot und Grün. Mogens schwitzte jetzt schon.
    »Ich habe das Modum Blaufarbenwerck besucht. In Norwegen.«
    »Ach was.«

    Mogens wickelte die Stoffbahnen auseinander und legte wortlos und behutsam die Teller auf den Tisch. Er drehte die Motive zu Poulsen hin. Auf der gelben Tischdecke waren sie eine Pracht. Der Teller mit dem Haugfossen war der beste. Mogens atmete durch die Nase tief durch.
    »Ich habe diese hier gemalt. Soll ich die Motive erklären, Herr Poulsen?«

    Ohne auf Antwort zu warten, beschrieb er die Bedeutung des Wasserfalls für das Werk, die verschiedenen Gebäude auf der Gesamtübersicht und den alten Betrieb des Arsenturms.
    Poulsen hob den Teller mit dem Arsenturm hoch.
    »Anfangs sind ja viele umgekommen«, sagte er. »Wenn die Glasur Krakelüre aufwies und Kobaltblau in den Kaffee oder Tee oder Kakao oder was immer man da trank, geriet. Denn es war nicht sauber genug und enthielt immer noch Arsenrückstände. Die Chinesen wollten ihre vielen Geheimnisse ja nicht verraten und zogen es vor, wenn die Europäer in ihrer Sucht, es ihnen nachzutun, ums Leben kamen.«
    Mogens nickte, natürlich wusste er das alles. Er hätte gern einen Schluck Tee getrunken, merkte aber, dass seine Hand zitterte. William erhob sich aus seinem Korb, ging dreimal darum herum und legte sich dann genauso wie zuvor wieder hin. Poulsen drehte die Teller in der Hand, hielt sie ins Licht und kniff die Augen zusammen.
    »Wunderschöne Arbeit, Herr Thygesen. Sanft und scharf, diese Kombination weiß man zu schätzen. Mir war gar nicht bekannt, dass Sie so malen können. Aber was hat Sie dazu bewogen?«
    »Dass die Farbe früher von dort kam.«
    Eine törichte, nichts sagende Antwort.
    »Aber das tut sie doch nicht mehr. Das ist fast hundert Jahre her. Und Norwegen hat inzwischen ja sogar seine eigene Regierung bekommen.«
    »Es ist trotzdem Geschichte. Ein Teil unserer Geschichte, hier in der Fabrik, Herr Poulsen.«
    »Wohl wahr.«
    »Eine Art Gedenkserie«, dachte ich.
    »Das haben Sie also gedacht. Haben Sie das hier in Ihrer Freizeit gemalt?«
    »Natürlich. Und ich habe die Teller auf eigene Rechnung gekauft.«

    »So war das nicht gemeint. Glauben Sie ja nicht ... ich habe nur über Ihren Eifer gestaunt. Wollen Sie Ihren Tee nicht trinken?«

    Das Ganze führte zu nichts. Nicht zu Fanfaren, zu roten Teppichen oder goldenen Sesseln. Poulsen versprach, sich die Sache zu überlegen, und die anderen Skizzen brauchte er sich nicht sofort anzusehen. Und Mogens brauchte auch keine weiteren Teller zu bemalen, Adam Poulsen glaubte, sich einen Eindruck verschafft zu haben.
    Während Mogens langsam mit den Tellern unter dem Arm zur Tür ging, wiederholte Poulsen gleich mehrere Male, dass er absolut unsicher sei, wer eine solche Serie denn kaufen würde. Überaus unsicher. Mogens wagte nicht zu antworten, wagte nicht, das Königshaus in die Sache hineinzuziehen; die Serie zum Beispiel als Geschenk zum Hochzeitstag von König Christian und Königin Alexandra vorzuschlagen. William brachte ihn ebenfalls zur Tür. Herr und

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