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Das Erbstueck

Das Erbstueck

Titel: Das Erbstueck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne B Ragde
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Rollenheft hast du ja, du kleine Diebin. Es werden noch drei andere süße Mädelchen vorsprechen. Wenn du Ollerup gefällst, dann fangen die Proben am folgenden Montag an. Ich glaube, du hast gute Chancen. Du hast die richtige Figur. Und Lola ist ja eine ziemlich mittelmäßige Kabarettsängerin. Für den Rest der Zeit spielst du eine gleichgültige und zynische Versucherin, und ich glaube, das liegt Ihnen nur zu gut, Fräulein Jebsen.«
    »Jota! Ich hasse diesen Namen. Nenn mich einfach Malie-Thalia.« Sie produzierte ein für Ollerup bestimmtes Lächeln. Seine Anwesenheit sorgte glücklicherweise dafür, dass Bæppe sie nicht angrabschte. Aber sie konnte nicht atmen, sie kam sich vor wie unter Wasser, wo die Geräusche verzerrt wurden und die
Farben sich verschoben. Der nächste Freitag, vier Uhr. Das Folketheater. Eine richtige Rolle. Die Zukunft. Der junge Backfisch ist auf dem Weg zu den Sternen, mag der Weg vielleicht auch noch lang sein . .. Sie hatte es fast erreicht. Sie würde ihn verlieren.
    »Darf ich die junge Dame zu einem kleinen Imbiss einladen? Ein paar Austern wären vielleicht etwas für den lachsrosa Gaumen?« , fragte Bæppe, als Ollerup sich erhob, sich vor ihr verbeugte und ging. Er hatte die ganze Zeit kein einziges Wort gesagt.
    »Ich habe schon eine Verabredung.«
    »Die kann doch nicht wichtiger sein als ich?« Er beugte sich zu ihr vor und zischte: »Es werden noch drei andere vorsprechen. Wir haben mehr als genug zur Auswahl. Bilde dir ja nichts ein, du Närrin.«
    »Ich muss nur schnell zur Rampe hinüber und eine Nachricht hinterlassen.«
    »Tu das. Wir treffen uns hier in einer halben Stunde. Ich habe ein Zimmer im Bristol, Fräulein Jota.«

    Er stand mit drei jungen, schicken Künstlern vor der Rampe, mit denen, die vorher mit ihm getrunken hatten. Er zog an der Zigarette, bis seine Wangen unter der Laterne tiefe Schatten zeigten, und nickte zu irgendeiner Bemerkung der anderen. Ernst. Sie zog sich ohne hinzusehen einen frischen Strich Karminrot über die Lippen und ging langsam auf ihn zu, unsicher, ob sie ihm die Sache vielleicht verheimlichen sollte. Er entdeckte sie und fasste sie um die Taille.
    »Wiedersehn«, sagte er zu den Langschaligen und kehrte ihnen den Rücken zu.
    »Ich habe diese Bewunderer so satt«, flüsterte er und küsste sie auf die Stirn und auf den Mund und auf die Schulter, von der das Bolerojäckchen heruntergeglitten war.
    »Ich kann heute Abend nicht mit dir kommen. Ich hatte das
vergessen. Ich muss mit einer Kollegin eine Rolle einstudieren. Ich hab das versprochen, Rudi. Können wir uns morgen treffen?«
    »Aber klar. Kein Problem. Dann gehe ich eben zu den Bewunderern zurück, ein bisschen Spaß bringen die ja doch. Sehe ich dich dann vielleicht morgen im Rode Kro?«
    »Ja, schön. Das ist dann abgemacht.«
    »Liebst du mich noch immer?«
    »Wild und hemmungslos.«
    »Dann komm her, meine Lola.«

    Er zog sie in die Gasse, schob ihr Kleid hoch, fiel auf die Knie und fand sie mit dem Mund. Die Gasse roch nach schalem Bier und Katzenpisse und sonnenwarmem Pflasterstein. Ein Rest einer alten Erinnerung durchfuhr sie, an einen schweren Zopf in der Hand eines jungen Mannes, und an Simon-Peter, der langsam hinter der Bretterwand in seinem Stroh herumstapfte. Mein schmuckes, kleines Mädchen, Verleihung, ich weiß ja gar nicht, wie Sie heißen . . . Sie drückte seinen Kopf an sich und konzentrierte sich darauf, nicht zu weinen.
    »Ich hatte früher auch einmal lange Haare«, flüsterte sie. »Sie reichten mir bis zur Taille. Mein Zopf war so dick wie ein Kinderbein.«

A dam Poulsens Büro und Arbeitszimmer war riesig groß. Er nannte es seinen Salon. »Bitte sehr, Thygesen, hereinspaziert in den Salon.«
    Die Sonne brannte auf die geschlossenen, bodenlangen Tüllgardinen und ließ ihr weiches, flaches Licht über alle Gegenstände im Raum fallen. Tisch und Regale wimmelten nur so von gerollten und gestapelten Zeichnungen. Zwischen den vielen Papieren lagen die Porzellanmodelle, matt und glasiert, in allen Stadien der Herstellung. Auf dem Boden und in den Regalen standen grüner Farn und leere Weinflaschen, Krüge mit auseinander strebenden Pinseln, volle Aschenbecher, Gläser mit roten, eingetrockneten Flecken auf dem Boden. Turmhohe elfenbeinweiße Schwertlilien ragten aus einer Arnold-Krog-Vase, die vor den Tüllgardinen auf dem Boden stand. Mogens hatte den Salon noch nie betreten.

    Der runde Tisch vor dem Fenster war für zwei gedeckt, mit

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