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Das Erbstueck

Das Erbstueck

Titel: Das Erbstueck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne B Ragde
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bist so dünn, meine kleine Schmusekatze ... und ich möchte dich gern draußen fotografieren. In der Natur.«

    Das Tageslicht ließ alles, was er sagte, glaubwürdig klingen. »Aber hast du keine Angst, dass . . . Eva von uns erfährt?«
    »Nein, nein, mit der bin ich doch schon verheiratet, sie hat ja wohl keinen Grund, sich zu beklagen.«
    »Bist du sicher, dass ich mitkommen soll?«
    »Ich habe hart gearbeitet, um dahin zu kommen, wo ich heute bin, und das gibt mir Freiheit. Ich habe auch Geld, weil ich es nicht für die falschen Dinge ausgeben, für teure Hotelzimmer zum Beispiel.«
    Malie hätte in diesem Moment ihren rechten Arm für eine Badewanne gegeben, aber das sagte sie nicht. Eine schlichte Kanne samt Waschschüssel passte nicht zu den Träumen, mit denen er sie umwob. Sie schmiegte sich dichter an ihn. Wenn die Decken sich bewegten, atmeten sie Leidenschaft aus. Die Wärme des neuen Tages stieg staubig von der Straße auf und drang durch das Fenster, zusammen mit dem Lärm von Handkarren und Kindern, die schulfrei hatten, von Zeitungsjungen, Straßenbahnen und quietschenden Fahrradketten.
    »Erzähl mir von deinen Bildern.«
    »Interessiert dich das? Wirklich?«
    »Du hast doch eben Bilder von mir gemacht. Ich war das Motiv. Da muss mich ja interessieren, was du später damit machst?«
    »So wenig wie möglich. Ich will eine möglichst naturgetreue Hingabe an die Wirklichkeit erreichen. Wenn ich die Wirklichkeit ändere, auf dem Negativ, dann, um sie noch wirklicher zu machen. Aber ich verschönere sie nicht. Lass mich fragen, und du antwortest ohne nachzudenken, was verbindest du mit einem Foto?«
    »Gesichter und Kleider.«
    »Portraitfotografie also.«
    »Ja, mit steifem Lächeln, wo der Mann hinter der Frau steht und die Hand auf die Rückenlehne legt. Die Frau sitzt da und denkt, dass sie sich das eigentlich nicht leisten können, denn die Kinder brauchen neue Schuhe.«

    »Genau. Aber du hast meine Bilder gesehen, was hast du da gedacht. Antworte sofort. Schnell.«
    »Haut.«
    »Gut. Die Menschen auf den Bildern – haben die an neue Schuhe für die Kinder gedacht?«
    »Nein.«
    »Woran haben sie gedacht?«
    »An ihren Körper. Dass der schön ist. Dass andere ihn sehen werden.«
    »Warum?«
    »Um ihn zu besitzen. Oder um das Bild zu besitzen.«
    »... oder die Geschichte dieses Menschen, nicht wahr? Das Erlebnis, an dem sie Anteil hatten? Als ein Teil der Umgebung?«
    »Ja. Und ich habe dich auf den Bildern gesehen, Rudi. Dein Rücken war einfach nur ...«
    »Du verlierst die Konzentration, mein Schatzerl. Ich arbeite mit dem Licht und will den Augenblick einfangen. In Aktstudien und Figurstudien. Und bei Bromöldrucken sehen die Bilder weich wie Haut aus. Dann braucht man nicht zu tricksen, die Ehrlichkeit des Augenblicks überschattet alle Unzulänglichkeiten. Langweile ich dich?«
    »Nein«, log sie, wand sich und streckte die Arme zum Kopfende hin. »Wie heißt das?«
    »Wie heißt was?«
    »Alle Kunst heißt irgendwas, du weißt schon, was ich meine. Irgendwas mit -ismus.«
    Er lachte und biss sie ins Ohrläppchen. »Meine kleine Lola, du bist zum Anbeißen. Expressionismus, Realismus, Naturalismus. Neue Sachlichkeit. Möchtest du noch andere Namen hören?«
    »Bist du wirklich weltberühmt? Und überall hingereist?«
    »Fast. Aber Berlin ist fantastisch, sogar noch toller als Wien. Draußen in der Jungfernheide werden du und ich tolle Bilder machen. Komm her.«

    »Allein schon der Name! Jomfruhedene. Das ist doch wie für mich geschaffen ... ja, mach das ... mein Gott, ist das schön ...«

    An diesem Abend saß Bæppe Munk zusammen mit einem fremden Mann im Saal. Rudi war nicht gekommen. Er gab im Blechpavillon ein Interview. Sie würden sich später treffen, vor der Rampe, und allein irgendwohin gehen.
    Malie tanzte Lieschen Leichtfuß und sang wie im Fieber. Eine ganze Nacht ohne Schlaf, und sie hatte das Gefühl, dass purer Rotwein durch ihre Adern gepumpt wurde.
    »Ist das die wahre Liebe?«, fragte Tutt. Malie nickte.
    »Lässt er sich scheiden?«
    »Wir fahren nach Berlin.«

    Bæppe wollte sie danach in den Saal holen. Er stellte ihr den fremden Mann als Palle Ollerup vor, Regisseur des Blauen Engel. Malie starrte sie beide an.
    »Hab ich also die Rolle? Einfach so?«
    »Du kannst am nächsten Freitag um vier Uhr bei Ollerup vorsprechen. Szene 4, wo der Professor Lola einen Heiratsantrag macht. Und du singst eins von den Liedern, Von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt. Das

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