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Das Erlkönig-Manöver

Das Erlkönig-Manöver

Titel: Das Erlkönig-Manöver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Löhr
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verlief, das dicht genug war, die Deutschen zu verbergen, aber nicht so dicht, auf die Franzosen verdächtig zu wirken. Arnim und Humboldt hatten sich abseits der Straße ins Unterholz geschlagen. Letzterer hatte eine Peitsche dabei, die er ihrem russischen Kutscher abgeschwatzt hatte. Bald begann es zu ihrem Verdruss zu regnen, und die beiden Männer stellten sich in den Schutz der Bäume, um sich selbst und das Zündkraut auf ihren Pistolen trocken zu halten.
    Schiller hatte auf einem Fels Stellung bezogen und sich dort hinter einem Holunderstrauch verborgen. Er würde von der Höhe die Reisenden schon sehen, ehe sie auf der Szene erschienen. Von dort herab sollte sein Pfeil jeden erlangen können, der sich durch die Gasse wagte.
    Goethe hatte sich schließlich an den Wegesrand gelegt. Um das Opfer eines Raubüberfalls zu markieren, hatte er den Hut abgenommen, damit die unschöne Wun de auf seinem Kopf sichtbar wurde – ganz so, als hätte man ihn just niedergeschlagen. Bettine kniete neben ihm und war bereit, in falsche Tränen auszubrechen, sobald Schiller das Signal gab. Die Pistolen hatten sie in die Falten ihrer Gewänder gehüllt. Da es kühl war auf der Erde und der Regen auch sie nicht schonte, bot Bettine Goethe an, zumindest seinen Kopf in ihrem Schoß zu betten. Ein ruhiges Lager war es freilich nicht, denn ob des nahen Anschlags war Bettine unfähig, stillzuhalten.
    »Wie schön, dass ich dich in diesem Abenteuer kennenlerne«, sagte sie nach einer Weile. »Unsre Briefe und die Freundschaft deiner Mutter waren mir lieb und teuer, aber der leibhaftige Herr von Goethe! Die Adern klopften mir im Kopf, als du bei der Großmutter in der Stube standest mit deinen edlen Freunden. Und wie schön, dass uns Achim begleitet. Er liebt und verehrt dich, wie ich es tue, wenngleich er sich nie getrauen würde, dir’s ins Gesicht zu sagen.«
    »Du liebst ihn?«
    »Ei, kann man ihn nicht lieben? Er hat eine schöne Gestalt, ein tapferes Gemüt und ein edles Herz. Allein sein Antlitz! Alle anderen haben nur Gesichter .« Bettine sah die Straße in beide Richtungen hinab. »Was stelle ich in diesem Mummenschanz eigentlich dar? Dein Weib oder dein Töchterlein?«
    »So eitel bin ich nicht zu verlangen, dass du mein Weib seiest.«
    »Weshalb? Du siehst doch königlich aus.«
    »Du spottest meiner, Bettine.«
    »Mitnichten. Du hast das Antlitz eines olympischen Jupiters.« Sie wischte die Regentropfen von seiner Stirn.
    »Mein Alter ist das einzig Olympische an mir.«
    »Das Alter macht den Wein erst köstlich.«
    Anstatt einer Antwort sah Goethe mit gehobenen Brauen von Bettines Schoß ihr in die Augen, sodass er ihr Abbild auf den Kopf gestellt sah.
    »So will ich dein Kind sein«, sagte sie vergnügt. »Ein Kind Gottes und ein Kind Goethes. Wie dein Wilhelm Meister das Mündel Mignon hatte, so will ich dir Mignon sein.«
    »Traun! du hast meinen Wilhelm Meister gelesen? Das ganze Buch?«
    »Der Clemens gab es mir. Jeder Buchstabe davon steht in meinem Herzen.«
    Goethe lächelte. »Wenn du wüsstest, wie süß du bist! Und du musst ein großes Herz haben, bei diesem Schinken.«
    Ein Pfiff Schillers unterbrach das Gespräch der bei den. »Jetzt gilt’s«, sagte Goethe und schloss die Augen.
    Die Franzosen näherten sich. Man hörte das Gebüsch knacken, wo Humboldt und Arnim ihre Positionen einnahmen. Bald ruckelte die Kutsche um eine Wegbiegung, so, wie Goethe es vorausgesagt hatte, mit zwei Nationalgardisten vor und zwei hinter dem Gefährt.
    Bettine weinte augenblicklich um ihren erschlagenen Vater, dass es Steine erweicht hätte. »Mein Vater!«, rief sie, »du willst mich nicht verlassen! Bleib bei deinem Kinde!«
    Der Kutscher bremste seine Pferde, und sofort waren die vorderen Reiter, beides junge Burschen, von ihren Pferden abgestiegen und eilten Bettine zur Hilfe.
    »Räuber!«, schrie diese und wies auf Goethes blutigen Kopf. »Sie haben mir den Vater genommen!«
    Der eine Franzose hielt den Wald im Blick, die Muskete im Anschlag, während sich der andere, ein schlanker, brauner Bursche, die Waffe in den Rücken warf und neben dem vermeintlich Überfallenen niederkniete, mit der Galanterie, den Zweispitz vorher abzunehmen. »Was hat der Vater, Fräulein?«, fragte er in brüchigem Deutsch.
    »Rien«, sagte Goethe, indes er die Augen aufschlug und die Pistole hob, sodass das Rohr kurz vor den Augen des Soldaten endete. »Die Hände hoch.«
    Nun ging alles sehr schnell: Bettine nahm ihre Pistole aus den Falten

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