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Das erstaunliche Abenteuer der Expedition Barsac

Das erstaunliche Abenteuer der Expedition Barsac

Titel: Das erstaunliche Abenteuer der Expedition Barsac Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Verne
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ein fabelhaftes Schauspiel, und unsere Feinde, wer auch immer sie seien, sind keine Durchschnittsmenschen, da es ihnen gelungen ist, mit solcher Meisterschaft den antiken Ikarustraum zu verwirklichen.
    Mein Gesichtsfeld ist nicht sehr groß, denn wie ich dank einer kleinen Drehung, die von meinen Wächtern unbemerkt bleibt, festzustellen vermag, wird mein Blick von allen Seiten durch die Platten einer Metallwand begrenzt. Nur dank der Höhe, aus der er nach unten dringt, vermag ich eine gewisse Entfernung zu überschauen.
    Im übrigen hat die Landschaft sich jetzt verändert. Nach einem Flug von etwa einer Stunde sehe ich plötzlich Palmen, Wiesen und ein paar Gärten. Es ist eine Oase, aber eine Oase von beschränktem Ausmaß, deren Durchmesser höchstens einhundertfünfzig Meter beträgt. Kaum aufgetaucht, entschwindet sie schon wieder. Als wir sie jedoch soeben erst hinter uns gelassen haben, erscheint am Horizont vor uns eine weitere, und auf diese zweite folgt eine dritte, über die wir wie ein Sandsturm hinwegfegen.
    Jede dieser Oasen enthält nur ein einziges Häuschen. Von dem Lärm der Luftmaschine angelockt, tritt ein Mann heraus. Ich sehe keinen weiteren. Diese Inselchen sollten also wirklich nur einen einzigen Einwohner haben?
    Nun aber stellt sich ein neues, noch unlösbareres Problem. Seit der ersten Oase überfliegt unsere Maschine eine Reihe von Pfählen, die in so regelmäßigen Abständen aufgepflanzt sind, daß ich meine, sie seien durch einen Draht miteinander verbunden. Ich glaube zu träumen. Eine Telegrafenleitung – wofern es nicht eine Telefonanlage ist – hier mitten in der Wüste?
    Nachdem wir auch die dritte Oase hinter uns gelassen haben, taucht eine vierte, weit größere vor uns auf. Ich erkenne Bäume, nicht nur Palmen, sondern verschiedene Gattungen, offenbar Schibäume, Bombax, Baobabs, Akazien. Ich sehe auch bestellte, sogar ganz fabelhaft bebaute Felder unter mir, auf denen zahlreiche Neger tätig sind. Dann erheben sich Mauern am Horizont, denen wir uns mit Windeseile nähern.
    Zu dieser unbekannten Stadt begeben wir uns also, denn unser Wundervogel beginnt sich ihr von oben her zu nähern. Bald schweben wir über ihr. Es ist eine Stadt von mittlerer Größe, doch wie sonderbar angelegt! Ich erkenne ganz deutlich halbkreisförmig und konzentrisch nach einem strikt durchgeführten Plan angelegte Straßen. Der zentrale Teil liegt fast verlassen da und enthält zu dieser Stunde des Tages nur eine kleine Zahl von Negern, die beim Dröhnen der Flugmaschinen sich in ihren Hütten verbergen. An der Peripherie hingegen fehlt es nicht an Bewohnern. Es sind Weiße, die zu uns emporschauen und – Gott verzeihe mir – uns drohend die Fäuste entgegenzuschütteln scheinen. Vergebens frage ich mich, was wir ihnen getan haben können.
    Aber die Maschine, die mich trägt, gleitet jetzt zusehends weiter nach unten. Wir überfliegen einen schmalen Fluß, dann, gleich darauf, habe ich den Eindruck, daß wir hinunterfallen wie ein Stein. In Wirklichkeit beschreiben wir eine Spirale, die mich seekrank macht. Ich verspüre Übelkeit. Ich werde doch nicht? …
    Nein, das Dröhnen des Propellers hat aufgehört, und die Maschine landet. Ein paar Meter weit gleitet sie über den Boden mit nachlassender Geschwindigkeit, und dann bleibt sie stehen.
    Eine Hand zerrt an dem Sack, der meinen Kopf umgibt, und nimmt ihn mir ab. Ich kann nur noch rasch die Fesseln um meine Hände wickeln und sie wieder in ihre ursprüngliche Lage bringen.
    Nachdem der Sack entfernt ist, werden meine Glieder befreit. Aber der, der mich von meinen Banden erlöst, bemerkt den Betrug.
    »Who is the damned dog’s son that has made this knot?« (Welcher verdammte Hundesohn hat diesen Knoten gemacht?) fragt eine versoffene Stimme.
    Wie man sich denken kann, hüte ich mich, darauf eine Antwort zu geben.
    Nach meinen Händen befreit man auch meine Beine. Ich bewege sie mit einem gewissen Vergnügen.
    »Get up!« (Aufstehen!) befiehlt in strengem Ton jemand, den ich nicht sehe.
    Ich täte nichts lieber als das, doch es fällt mir nicht leicht zu gehorchen. Seitdem die Blutzirkulation in meinen Gliedern unterbunden ist, versagen diese mir den Dienst. Nach ein paar fruchtlosen Bemühungen gelingt es mir indessen, aufzustehen und einen ersten Blick auf meine Umgebung zu werfen.
    Sie ist nicht eben hübsch. Vor mir ragt eine hohe Mauer ohne jede Öffnung auf und gegenüber wiederholt sich genau das gleiche Schauspiel. Zu meiner Linken

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