Das erstaunliche Abenteuer der Expedition Barsac
leichenblaß. Dr. Châtonnay und Malik, die heiße Tränen vergießt, sind um sie bemüht. In ihrer Nähe sehe ich Saint-Bérain sitzen, der mühsam nach Atem ringt. Er ist in einem bedauernswerten Zustand. Sein kahler Schädel ist ziegelrot, und seine großen Augen scheinen aus ihren Höhlen hervorzuquellen. Armer Saint-Bérain!
Monsieur Barsac und Monsieur Poncin scheinen mir in besserer Verfassung zu sein. Sie stehen da und lassen ihre Gelenke spielen. Weshalb sollte ich es nicht machen wie sie?
Nirgends aber entdecke ich Tongané. Wo mag er wohl stecken? Sollte er im Laufe der Attacke, die man auf uns unternommen hat, getötet worden sein? Das ist nur allzu wahrscheinlich, denn deshalb vielleicht schluchzt Malik derart heftig. Ich empfinde wirklichen Kummer bei dieser Vorstellung und schenke unserem tapferen, treuen Tongané ein gerührtes Gedenken.
Ich stehe auf und gehe auf Miss Buxton zu, ohne daß jemand etwas zu mir sagt. Meine Beine sind steif, und ich komme nicht eben schnell voran. Hauptmann Rufus ist vor mir da.
»Wie geht es Mademoiselle Mornas?« fragt er Dr. Châtonnay.
Natürlich! Das stimmt ja, Exleutnant Lacour kennt unsere Reisegefährtin nur unter ihrem angenommenen Namen.
»Besser«, sagt der Doktor. »Sie schlägt die Augen wieder auf.«
»Liebe Freunde, verzeihen Sie mir!«
»Können wir unsere Reise fortsetzen?« fragt der sogenannte Hauptmann.
»Nicht vor einer Stunde«, erklärt in bestimmtem Ton Dr. Châtonnay, »und noch dazu rate ich Ihnen, wofern Sie nicht uns alle umbringen wollen, weniger barbarische Methoden anzuwenden als die bisherigen.«
Hauptmann Rufus antwortet nicht und entfernt sich. Statt dessen trete ich näher heran und stelle fest, daß Miss Buxton tatsächlich wieder zu sich kommt. Bald kann sie sich aufrichten, und Dr. Châtonnay, der bislang neben ihr kniete, steht auf. In diesem Augenblick erscheinen auch Monsieur Barsac und Monsieur Poncin bei uns. Wir sind wieder alle beisammen!
»Liebe Freunde, verzeihen Sie mir!« sagt plötzlich Miss Buxton, während dicke Tränen ihren Augen entströmen. »Ich bin ja diejenige, die Sie in dieses schreckliche Abenteuer gestürzt hat. Ohne mich wären Sie jetzt in Sicherheit …«
Wir erheben Einspruch, wie man sich denken kann, aber Miss Buxton fährt fort, sich anzuklagen und uns um Verzeihung zu bitten. Ich, der ich selber nicht sehr zu Gefühlen der Rührung neige, bin der Meinung, daß das unnütze Reden sind, und halte es für angebracht, das Gespräch auf andere Dinge zu bringen.
Da Miss Buxton hier nur unter dem Namen Mademoiselle Mornas bekannt ist, gebe ich zu bedenken, daß es offenbar besser sein würde, ihr dieses Pseudonym zu belassen. Wäre es denn in der Tat unmöglich, daß sich unter diesen Kerlen hier noch vormalige Untergebene ihres Bruders befinden? Wozu dann für diesen Fall ein zusätzliches Wagnis eingehen, welches auch immer es sei? Der Vorschlag wird einstimmig angenommen. Wir sind uns einig, daß Miss Buxton wieder Mademoiselle Mornas sein wird wie zuvor.
Es war Zeit geworden, diesen Beschluß zu fassen, denn unser Gespräch wurde jäh unterbrochen. Auf einen knappen Befehl von Hauptmann Rufus hin werden wir erneut die Opfer brutaler Gewalt. Drei Mann beschäftigen sich speziell mit meiner bescheidenen Person. Ich werde wiederum gefesselt, und der abscheuliche Sack trennt mich wie vorher von der Außenwelt. Bevor ich überhaupt nichts mehr sehe, stelle ich noch fest, daß meine Gefährten, darunter auch Miss Buxton – Verzeihung! Mademoiselle Mornas – die gleiche Behandlung erfahren. Dann werde ich wie vorhin fortgeschleppt … Ob man noch einmal das Reiterkunststück nach Art Mazeppas von mir verlangen wird?
Nein. Ich werde flach auf dem Bauch auf eine harte, aber ebene Fläche gelegt, die mit dem Rückgrat eines Pferdes nichts gemein hat. Ein paar Minuten vergehen, dann höre ich ein gewaltiges Flügelschlagen, während die Fläche, auf der ich mich befinde, nach allen Richtungen hin zu schwanken beginnt. Das dauert jedoch nur einen Augenblick, dann aber dröhnt mir in geradezu betäubender Stärke jenes berühmte Geräusch, nur diesmal verfünf-, verzehn-, verhundertfacht in die Ohren, und ich verspüre den Wind mit einer ebenfalls ungewöhnlichen Heftigkeit, die von einer Sekunde zur anderen noch zunimmt. Zugleich habe ich ein Gefühl … wie soll ich sagen? … als befände ich mich in einem Aufzug oder, noch genauer gesagt, einer Berg-und Talbahn auf dem Jahrmarkt, wo
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