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Das erstaunliche Abenteuer der Expedition Barsac

Das erstaunliche Abenteuer der Expedition Barsac

Titel: Das erstaunliche Abenteuer der Expedition Barsac Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Verne
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nur hören wollte, bekundete er seine Nichtachtung für die Frauen. Er schrieb ihnen alle nur erdenklichen Fehler und Laster zu. »Falsch, treulos, verlogen, verschwenderisch«, verkündete er gewöhnlich, ohne jedoch daneben andere beleidigende Beiwörter zu verschmähen, an denen es ihm niemals mangelte.
    Zuweilen riet ihm jemand zur Heirat.
    »Ich?« pflegte er dann auszurufen, »ich soll mich mit einem ungetreuen, flatterhaften Geschöpf verbinden?! …«
     

    Sie trennten sich kaum voneinander.
     
    Drang man aber weiter in ihn, so erklärte er in allem Ernst:
    »An die Liebe einer Frau werde ich niemals glauben, bevor ich sie nicht vor Verzweiflung auf meinem Grabe habe sterben sehen.«
    Da diese Bedingung unerfüllbar war, konnte man darauf wetten, daß Agénor sein Leben lang Junggeselle bliebe.
    Seine distanzierten Gefühle dem weiblichen Geschlecht gegenüber ließen jedoch eine Ausnahme zu. Diejenige, die dieses Vorrecht genoß, war Jane Buxton, das letzte der Kinder Lord Glenors und infolgedessen Agénors Tante, aber eine Tante, die fünfzehn bis zwanzig Jahre jünger war als er selbst, eine Tante, die er schon gekannt hatte, als sie noch ganz klein war und zu deren Beschützer er sich aufwarf, als der unglückliche Lord sich von der Welt zurückgezogen hatte. Er brachte ihr wahrhaft väterliche Liebe, eine tiefe Zuneigung entgegen, die übrigens das junge Mädchen von Herzen erwiderte. Im Prinzip war er der Mentor, in Wirklichkeit jedoch tat der Mentor alles, was sein Zögling wollte. Sie trennten sich kaum voneinander. Sie verließen gemeinsam das Haus, durchstreiften die Wälder zu Fuß oder zu Pferde, machten Kahnfahrten, gingen auf die Jagd, kurz, betrieben jede Art von Sport, was dem alten Neffen das Recht gab, von seiner in dieser Weise zum Jungen erzogenen jungen Tante zu sagen: »Ihr werdet sehen, ich mache schließlich doch noch einen Mann aus ihr!«
    Jane Buxton war die dritte Person, die ihre Fürsorge in überreichlichem Maße dem alten Lord zuwendete, den sie in seinem traurigen Alter fast mütterlich umhegte. Sie hätte ihr Leben dafür gegeben, ihn einmal lächeln zu sehen. Diese Idee, der von Kummer verhärteten Seele ihres Vaters ein wenig Glück zuzuführen, verließ sie keinen Augenblick. Es war das Ziel von allem, was sie dachte und tat.
    Zur Zeit des Dramas, bei dem ihr Bruder den Tod gefunden hatte, waren die Tränen ihres Vaters wegen seines besudelten Namens, seiner tief verletzten Ehre noch reichlicher geflossen als wegen des jammervollen Endes eines gerechter Strafe verfallenen Sohnes. Sie hingegen hatte nicht geweint.
    Nicht, daß ihr der Verlust eines zärtlich geliebten Bruders und der Flecken, den ein solches Verbrechen für die Ehre ihrer Familie bedeutete, etwa nichts ausgemacht hätten. Doch zugleich mit dem Schmerz, und in noch größerem Ausmaß als er, erfüllte Empörung ihr Inneres. Wieso denn glaubten Lewis und sein Vater so leicht daran, daß George sich so schmählich vergangen haben sollte! Ohne Prüfung, ohne selber nachzuforschen, nahmen sie die von weither über das Meer zu ihnen gelangten Anschuldigungen als bare Münze hin! Was bedeuteten schon die offiziellen Berichte? Gegen diese Berichte, gegen den Augenschein sogar, sprach Georges ganze Vergangenheit. Unmöglich konnte dieser so aufrechte, so gute, so reine große Bruder, dessen gesamtes Dasein von Heroismus und Zuverlässigkeit zeugte, ein Verräter sein! Während alle den armen Toten verleugneten, gedachte wenigstens sie, sein Gedächtnis in Ehren zu halten und nicht zuzulassen, daß ihr Glaube an ihn jemals wanken würde.
    Dieser erste Eindruck Jane Buxtons verstärkte sich nur noch mit der Zeit. Je mehr die Tage vergingen, desto glühender wurde ihre Überzeugung von der Unschuld ihres Bruders, obwohl sie diese Theorie durch keinen Beweis zu stützen imstande war. Endlich – als bereits mehrere Jahre seit dem Drama verstrichen waren – wagte sie, zum ersten Mal das absolute Schweigen zu durchbrechen, das auf Grund einer unausgesprochenen Übereinkunft alle Gäste des Schlosses über die Tragödie von Koubo bewahrten.
    »Onkel? …« redete sie an diesem Tage in fragendem Ton Agénor de Saint-Bérain an.
    Obwohl dieser in Wirklichkeit ihr Neffe war, hatten sie sich für die Praxis darauf geeinigt, die Bezeichnung des Verwandtschaftsgrades einfach umzukehren, um sie dadurch ihren Jahren besser anzupassen. Deshalb nannte Agénor gewöhnlich Jane seine Nichte, während diese ihm den Titel ›Onkel‹

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