Das erstaunliche Abenteuer der Expedition Barsac
Spuren durchaus berechtigter Müdigkeit.
Während dieser achtundvierzig Stunden haben wir alle zahlreiche Spaziergänge im Bereich des ›tata‹ unternommen. Ich habe weiter oben schon meine wesentlichsten Beobachtungen niedergelegt. Erwarten Sie von mir keine ausgedehnteren Schilderungen, die Sie ja im übrigen mühelos in den betreffenden Spezialabhandlungen nachschlagen können. Meine persönliche Rolle besteht in der eines Historiographen der Expedition Barsac,
Der Markt in Timbo.
und diese Rolle sagt mir zu. Klio inspiriert mich, doch habe ich nicht die Seele eines Geographen. Dies sei hier ein für allemal klargestellt.
Am Tag nach unserer Ankunft, am 14. also, machten wir uns große Sorgen um unseren Führer. Den ganzen Tag über wurde vergebens nach ihm gesucht. Moriliré war verschwunden.
Beruhigen Sie sich jedoch. Am 15. Dezember, im Augenblick des Aufbruchs, war er wieder zur Stelle, und während wir uns noch die Augen rieben, hatte er bereits eine hinlängliche Menge von Stockhieben ausgeteilt, damit die Eseltreiber sich über die Realität seiner Anwesenheit keinen Zweifeln hingäben. Von Monsieur Barsac befragt, blieb Moriliré steif und fest dabei, er habe am Tage zuvor das Lager den ganzen Tag nicht verlassen. Da wir alles in allem nichts Sicheres behaupten konnten und die Sache zudem nicht weiter wichtig war, denn schließlich wäre es durchaus entschuldbar gewesen, wenn Moriliré einmal eine Art ›Landurlaub‹ hätte genießen wollen, gingen wir der Sache nicht weiter nach, der Zwischenfall galt als erledigt.
Wir verlassen Timbo also am 15. Dezember zur gewohnten Stunde, und unsere Reise wird den ganzen Tag über ohne besondere Komplikationen und gemäß dem gewohnten Stundenplan fortgesetzt. Immerhin soll hier festgehalten werden, daß unsere Pferde nicht mehr den Boden der Straße unter den Hufen haben, der wir bisher gefolgt sind. Diese Straße verwandelt sich seit Timbo mehr und mehr in einen bloßen Fußpfad. Von Timbo an sind wir also zu wirklichen Forschungsreisenden avanciert.
Eine andere Veränderung besteht darin, daß die Landschaft jetzt einen wechselnden Charakter hat. Es geht immer auf und ab. Gleich hinter Timbo müssen wir zunächst einen ziemlich steilen Hügel erklimmen und uns dann wieder abwärts bewegen. Auf den Hügel folgt eine Ebene, dann geht es wieder bergan bis zu dem Dorf Daouhérico, an dessen Gemarkung wir Halt machen müssen, um unser Lager für die Nacht aufzuschlagen.
Nachdem Mensch und Tier wieder wohl ausgeruht sind, kommt unser Zug schneller als gewöhnlich voran, so daß wir bereits um sechs Uhr abends im Dorf angelangt sind.
Lebhafteste Freundschaftsbekundungen erwarten uns dort. Der Häuptling kommt uns entgegen und überbringt uns Geschenke. Monsieur Barsac dankt ihm. Willkommensrufe antworten ihm.
»Ich werde nicht wärmer begrüßt, wenn ich in Aix über den Cours Sextius gehe«, erklärt Monsieur Barsac. »Aber ich wußte es ja. Man muß nur mit ihnen reden.«
Es sieht so aus, als habe er recht, dieser Monsieur Barsac, obwohl Monsieur Baudrières nur skeptisch den Kopf dazu schüttelt.
Der Dorfhäuptling erging sich indessen in weiteren Liebenswürdigkeiten. Er bot uns als Unterkunft die schönsten Hütten des Dorfes an und bat unsere Reisegefährtin, ihr Gastfreundschaft in seiner eigenen Behausung gewähren zu dürfen. Dieser warme Empfang ging uns allen zu Herzen, und die Fortsetzung unserer Reise erschien uns bereits in rosigstem Licht, als Malik sich Mademoiselle Mornas näherte und ihr rasch etwas zuflüsterte.
»Du nicht gehen, Herrin! Sonst du sterben.«
Mademoiselle Mornas starrt die kleine Negerin entgeistert an. Es versteht sich von selbst, daß ich gehört habe, was sie gesagt hat, denn dazu ist ein Reporter, der sich respektiert, ja sozusagen verpflichtet. Aber auch Hauptmann Marcenay hat es gehört, wiewohl es nicht seines Amts ist. Zuerst scheint er erstaunt zu sein. Dann, nach kurzer Überlegung, entscheidet er sich jedoch.
Im Nu macht er der Zudringlichkeit des Häuptlings ein Ende und ordnet an, daß das Lager wie üblich aufgeschlagen wird. Ich höre es und schließe daraus, daß wir wohl bewacht sein werden.
Diese Vorsichtsmaßnahmen haben mich nachdenklich gestimmt. Der Hauptmann, der über gewisse Erfahrungen mit dem schwarzen Kontinent verfügt, glaubt also demnach an die von Malik angedeutete Gefahr?
Dann allerdings …
Dann allerdings … stelle ich mir vor dem Einschlafen die Frage: »Wer hat nun
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