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Das erste der sieben Siegel

Titel: Das erste der sieben Siegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Case John F.
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reiste er beispielsweise nach Tokio, wo er vor der Organisation ›Chosen Soren‹ eine Rede hielt. (Foto: Anonym)
    »Nicht schlecht«, sagte Frank.
    »Ich habe dreihunderteinundvierzig Abonnenten«, erklärte Stern. »Die meisten sind Theologen und Eltern. Ein paar Journalisten, der eine oder andere Privatdetektiv – und natürlich die Sekten selbst. Das sind Abonnenten mit Postfach-Anschriften.«
    »Haben Sie viel über den ›Tempel‹ geschrieben?«, fragte Frank.
    Stern schüttelte den Kopf. »Das ist der erste Beitrag seit mehr als einem Jahr. Ich klopfe sozusagen auf den Busch.«
    »Wie meinst du das?«, fragte Annie.
    »Ich meine, dass es gefährlich ist«, antwortete Stern. »Es ist anstrengend. Darauf habe ich keine Lust mehr.« Er zögerte einen Moment, dann fuhr er fort: »Weißt du noch, wann wir das letzte Mal verabredet waren?«
    Annie nickte. »Da habe ich gerade den Antrag auf Finanzierung meines Forschungsprojektes eingereicht. Vor zwei Jahren.«
    Stern nickte. »Ach ja, was ist denn daraus geworden?«
    Annie schielte zu Frank hinüber. »Abgelehnt.«
    Stern verzog mitfühlend das Gesicht. »Pech. Jedenfalls habe ich damals das letzte Mal was über den ›Tempel‹ geschrieben – bis jetzt.«
    »Worüber haben Sie denn beim ersten Mal geschrieben?«, erkundigte sich Frank.
    »Das lag in der Richtung, über die wir vorhin gesprochen haben. Ich habe Verbindungen zwischen Solange und früheren Sektenführern gezogen und Ähnlichkeiten aufgezeigt. Ich habe ihn als ›säkularen Apokalyptiker‹ bezeichnet, der die Zehn Gebote durch die Prinzipien radikaler Ökologie ersetzt hat. Und er redet nicht nur, er will sie herbeiführen.«
    »Was herbeiführen?«
    »Die Apokalypse. Armageddon. Ganz wie man will. In seinen Schriften behauptet Solange, er sei die letzte ›welthistorische‹ Gestalt …«
    »Was meinen Sie damit?«
    »Jesus, Buddha –«
    »Solange«, warf Annie ein.
    »Genau. Und seine Bedeutung liegt genau in diesem Umstand. Er ist die Hebamme der Endzeit. Zumindest behauptet er das.«
    »Aber warum will das überhaupt jemand sein?«, fragte Annie.
    Sterns Augenbrauen hüpften auf und nieder. »Solange sieht die Dinge nicht wie unsereiner. Seine Weltsicht ist ökozentrisch.«
    »Die Erde zuerst«, sagte Frank.
    »Genau. Nicht der Mensch spielt die wichtigste Rolle, sondern die Natur. Ihm geht es um die Wiederherstellung des Garten Eden – was unter anderem das Ende der industrialisierten Zivilisation bedeutet.«
    »Klingt gefährlich«, bemerkte Frank.
    »Darauf könnt ihr wetten. Deshalb nennen sie ihn ja auch den ›Ersten Reiter‹.«
    »Der Erste Reiter?«, wiederholte Annie.
    Stern nickte. »Ja. Der Erste Reiter der Apokalypse.«
    Alle drei versanken sie eine Weile in Schweigen und nippten still an ihrem Tee. Dann sagte Frank: »Und was ist denn nun mit Ihnen passiert? Ich meine, zwischen Ihnen und denen? Sie haben vorhin gesagt, dass Sie mit der Veröffentlichung des Fotos ein wenig ›auf den Busch klopfen‹ wollten.«
    »Nun ja«, sagte Stern. »Der Artikel, den ich damals geschrieben habe, war ziemlich unverblümt. Im Grunde war es eine Zusammenfassung dessen, was andere – vor allem Journalisten – schon geschrieben hatten. Außerdem habe ich das Ganze in eine historische Perspektive gerückt, wie ich sie euch vorhin dargestellt habe. Das einzige wirklich neue Material stammte aus ein paar Berichten, die ich von einem Bekannten im kalifornischen Justizministerium zur Verfügung gestellt bekam. Dessen Sohn war zehn Jahre zuvor bei den ›Children of God‹ verschwunden, und seitdem setzt sich der Vater aktiv gegen neue Religionen ein. Jedenfalls … sie haben mich aufs Korn genommen.«
    »Wer hat dich aufs Korn genommen?«
    »Der ›Tempel‹. Oder, wie sie sich manchmal selbst nennen, ›die Sanftmütigen‹. Sie haben angefangen, mich zu beobachten.«
    »Ist nicht wahr.«
    »Doch«, sagte Stern. »Es war wie im Film. Ich wurde beschattet. Sechzehn Stunden am Tag stand ein Wagen vor meiner Wohnung. Von morgens sechs bis abends zehn, sieben Tage die Woche.«
    »Klingt teuer«, bemerkte Frank trocken.
    »Ich fühlte mich geschmeichelt. Ich machte mich über sie lustig, wenn ich an dem Wagen vorbeikam. Dann haben sie meinen Hund umgebracht.«
    »Was?«
    »O neiiin«, sagte Annie. »Doch nicht deinen goldigen Labrador? Bitte nicht Brownie!«
    »Irgendwer hat ihm ein vergiftetes Steak gegeben. Du weißt ja, wie er war. Er hat einfach alles gefressen, bloß kein Hundefutter.

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