Das erste der sieben Siegel
ist. Sie besteht aus Koreanern, die in Japan arbeiten. Hauptsächlich Nordkoreaner. Sie machen die miesesten Arbeiten für die Japaner und schicken Unsummen nach Hause. Dabei fallen enorme Währungsgewinne an.«
»Und von denen kriegt der ›Tempel‹ sein Geld?«
Stern nickte. »Das meiste jedenfalls.«
Frank war verblüfft. »Aber … warum?«
»Ich weiß es nicht«, antwortete Stern, »aber seit 1995 haben sie von den Koreanern fünfzig Millionen Dollar gekriegt.«
»Woher wissen Sie das?«
»Zollberichte. Hab ich vom Justizministerium in Kalifornien bekommen. Die haben einen Typen erwischt, der einen regelrechten Rundflug gemacht hatte – Los Angeles, Tokio, Genf und zurück nach Los Angeles. Und so weiter. Vermutlich haben sie jede Menge Bargeld bei ihm sichergestellt, das er eigentlich nicht hätte haben sollen. Jedenfalls haben sie ihn verhört, und er hat gesungen. Hat Ihnen alles erzählt.«
»Nämlich?«
»Dass er Geld, und zwar viel Geld, verschoben hat, damit keiner mehr feststellen konnte, wo es ursprünglich herkam.«
»Und das war … ›Chosen Soren‹-Geld?«
»Ja.«
»Wo ist der Typ jetzt?«
Stern blies einen Rauchkringel Richtung Decke. »Die haben Mist gebaut. Anstatt den Fall weiterzuverfolgen, haben sie ihn ausgewiesen. Er steigt also in Tokio aus dem Flugzeug, und das war’s. Er ist nie aus der Gepäckabfertigung rausgekommen. Seine Frau steht da mit zwei Kindern, genau hinter der Passkontrolle und – nichts. Sie haben bloß noch seinen Koffer gefunden, auf einem Wägelchen in der Abfertigungshalle. Ende der Geschichte.«
»Sonst keine Spur von ihm?«
»Nein. Wie gesagt: Ende der Geschichte.«
»He!« Der Ausruf kam von Annie. Sie stand mit ihrer Teetasse am Fenster und hatte sich leicht vorgebeugt, um irgendwem draußen etwas zuzurufen. »He!«
»Was ist denn?«, fragte Frank und ging rasch zu ihr rüber.
»Da ist jemand an Ihrem Wagen.«
Er zog den Vorhang beiseite und sah, dass sie Recht hatte. Der Saab parkte am Straßenrand vor dem Mietshaus, und die Fahrertür war offen. Eine Frau in einem blauen Kleid lehnte sich gerade ins Innere des Wagens.
»Gleich wieder da«, sagte Frank, und ohne auf Annie zu warten, war er schon aus der Wohnung, am Fahrstuhl vorbei und die Treppe hinunter, immer zwei Stufen auf einmal nehmend. Wenige Sekunden später hastete er durch die Eingangshalle und hinaus auf die Straße. Die Wagentür war jetzt geschlossen und die Frau zirka zwanzig Meter entfernt. Sie schob einen Buggy auf die nächste Straßenecke zu.
»Moment mal!«, rief er und trabte hinter ihr her. »Hallo, Sie da! Moment bitte!«
Die Frau wandte sich um und hob eine Hand, um ihre Augen gegen das Sonnenlicht abzuschirmen. Er sah, dass sie jung war – sehr jung –, eine sommersprossige, ländliche Schönheit. »Hi«, sagte sie und schenkte ihm ein freundlich strahlendes Lächeln.
Erstaunt stellte er fest, dass er um Atem rang, eher vor Aufregung als vor Anstrengung, und er sprach abgehackt. »Verzeihen Sie, dass ich so geschrien habe, aber – ich hab da vorhin aus dem Fenster geschaut –, und Sie waren – nun ja – Sie waren in meinem Wagen.«
Das Lächeln wurde noch breiter. »Das war Ihr Wagen?«, fragte sie und bewegte dabei den Buggy vor und zurück, um das Baby bei Laune zu halten.
»Ja«, sagte Frank und kam sich im Scheinwerferstrahl ihrer Freundlichkeit ein wenig albern vor.
»Ach! Ich habe das Licht für sie ausgemacht. Sie hatten es angelassen.«
»Wirklich?« Er überlegte kurz. »Das kann ich mir nicht vorstellen. Wieso hätte ich denn das Licht anmachen sollen? Es ist doch helllichter –«
Sie schüttelte den Kopf, und er sah, dass sie grüne Augen hatte. »Ich weiß nicht. Sind Sie vielleicht durch einen Tunnel gefahren oder so?«
Das Baby gluckste, und Frank schielte in seine Richtung. Er konnte nicht sagen, ob es ein Junge oder ein Mädchen war, aber wie seine Mutter war es einfach entzückend. »Ein süßes Kind«, sagte er.
»Danke!«, sagte sie und neigte kokett den Kopf. Dann wandte sie sich um und setzte den Kinderwagen sacht in Bewegung. »Ich muss weiter«, sagte sie. »Papa kommt bald nach Hause.«
»Ah, ja … vielen Dank für Ihre Hilfe«, sagte Frank.
Als er zu Sterns Wohnung zurückging, sah er, dass die Scheinwerfer aus waren – was natürlich gut war (obwohl die Batterie vielleicht trotzdem schon tot war). Er würde es gleich ausprobieren, aber zuerst musste er Annie holen.
»Wer war das?«, fragte sie.
»Ich weiß
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