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Das erste der sieben Siegel

Titel: Das erste der sieben Siegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Case John F.
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Schwindelgefühl, irrational und unkontrollierbar. Jeder kann auf einer geraden Linie gehen, aber wenn man versucht, das auf einem Balkongeländer in dreißig Meter Höhe zu machen, stürzt man unweigerlich ab.
    Und so fühlte er sich jetzt, wie kurz vor dem ›Absturz‹, als zöge sein Verstand ihn über ein unsichtbares Geländer. Das Autofahren war unermesslich schwierig – wie wenn man versucht, sich gleichzeitig den Bauch zu reiben und den Kopf zu tätscheln. So vieles konnte so leicht schiefgehen, mit katastrophalen Folgen. Wieso machten das alle einfach so? Wie konnten sie auf so viele Dinge gleichzeitig achten? Auf den Tacho und die Schaltung, auf Kupplung, Bremse und Gas – andere Autos, Ampeln, Menschen, die kreuz und quer über die Straße liefen. Der Tacho! Die Welt war eine Flutwelle aus Orten und Ereignissen, und sie schäumte vor lauter möglichen Folgen.
    Und ich ertrinke darin, dachte Frank.
    Ein weiteres Problem war, dass ein wesentlicher Teil von ihm fehlte – seine Haltung zur Welt, oder seine Sicht der Welt. Es war, als hätte er etwas vergessen, und zwar nicht, wer er war, sondern wie es war, er zu sein. Nicht die Fakten zu sich selbst, sondern die Bedeutung dieser Fakten.
    Plötzlich wusste er, was es war: Er hatte seinen Blickwinkel vergessen. Er hatte vergessen, wie es war, Frank Daly zu sein, und nun konnte er sich nicht vorstellen, dieses Wissen je wiederzuerlangen. Der gesamte Sprachschatz seines Seins war ihm abhanden gekommen, sodass es ihm schien, um er selbst zu sein, müsste er eine Sprache sprechen, die er nie erlernt hatte. Sie war ihm nicht zugänglich. Er war sich nicht zugänglich.
    Und diese Erkenntnis erfüllte ihn mit einem Grauen, das umso tiefer reichte, als es unentrinnbar war – es kam von innen, von einem Ort, wo Frank hätte sein sollen und wo jetzt nichts war. Ein Vakuum.
    Er wusste natürlich, was passiert war. Er war unter Drogen gesetzt worden. Von Stern oder Annie oder auch von der jungen Frau, die er in seinem Auto erwischt hatte. Die sommersprossige Mommy mit dem strahlenden Lächeln. Aber dieses Wissen war keineswegs tröstlich. Wer auch immer es getan hatte, dieser Jemand hatte ihm alles genommen, sodass nun nichts mehr da war. Es war nichts mehr von ihm da. Und er wusste, dass es nie wieder besser werden würde, denn das, was er verloren hatte, war ungefähr so greifbar – und schwer fassbar – wie Weltzeit.
    Er brauchte unglaublich lange, um zurück zu seiner Wohnung zu kommen – wo er hingehörte.
    Also trat er das Gaspedal bis zum Anschlag durch. Der Saab schoss auf die Gegenfahrbahn und jagte über die stark befahrene Straße, den Verkehr zerteilend, wie ein sich öffnender Reißverschluss. Ein Mann im seriösen Anzug hechtete Richtung Rinnstein, überall gellten Hupen. Häuser und Geschäfte flogen förmlich vorbei.
    Er musste ins Bett. Im Bett wäre er in Sicherheit. Aber zuerst musste er den Wagen parken. Und unter den gegebenen Umständen war das völlig unmöglich. Selbst wenn er eine Parklücke gefunden hätte, den Saab abzustellen wäre ungefähr so schwierig gewesen, wie das Spaceshuttle anzudocken, eine Tonne Stahl durch drei Dimensionen zu manövrieren, und das nur unter Verwendung von Händen und Füßen. Ausgeschlossen. Das konnte keiner. Also trat er mit beiden Füßen auf die Bremse, sodass der Wagen schlingernd mitten auf der Straße stehen blieb.
    Bevor er ausstieg, schaltete er noch das Licht ein, damit er das Auto später leichter wiederfinden konnte.
    Er war überrascht, wie benebelt er sich fühlte. Als säße sein Kopf auf einem Kugellager. Vom Bürgersteig kam ein Mann auf ihn zu und sprach leise in Spanisch auf ihn ein. Dann wich der Mann zurück, von irgendetwas in Franks Augen eingeschüchtert.
    Einen Moment später (oder vielleicht auch mehr – vielleicht war es eine Stunde später) stand er in seiner Wohnung und hörte die Nachrichten auf seiner Voicemail ab.
    »Frank! Hier ist Jennifer. Diese Ausgaben für Satellitenfotos … soll das ein Witz sein? Melden Sie sich bitte.«
    Und die nächste Nachricht:
    »He, Frank! Ich bin’s, Onkel Sid. Hör mal, wir sind alle tief traurig wegen deinem Dad, aber – he, es war schön, dich mal wiederzusehen, und … na du weißt schon, lass dich mal wieder blicken!«
    Und die dritte Nachricht, von einer Frau, die ihm alles Gute wünschen wollte:
    »Hallo! Wir sind uns heute Nachmittag begegnet, wissen sie noch? Ich wollte bloß sagen, gute Reise – und, ach ja! Wenn Sie

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