Das erste der sieben Siegel
Ich suche eine Freundin.«
Die Erleichterung des Mannes und das Lächeln, das gleich darauf folgte, erinnerten Frank an eine Illustration in einem Kinderbuch. Gepetto, dachte er. Ich spreche mit Gepetto.
»Ich denke, das Fremdenverkehrsbüro wird eine Liste haben«, sagte der alte Mann und beschrieb ihm den Weg.
Sobald er eine Liste mit den Hotels hatte, telefonierte er die nächsten anderthalb Stunden herum. Weder Kicklighter noch Adair waren in irgendeinem Hotel oder Gästehaus in Hammerfest angemeldet.
Er rief in Washington in der National Science Foundation und bei den NIH an, aber auch dort konnte ihm niemand sagen, wo Kicklighter wohnte. »Ich glaube nicht, dass er in einem Hotel ist«, sagte eine Mitarbeiterin. »Ich glaube, er ist in einem Zelt auf Spitzbergen oder irgendwo anders in der Gegend.«
Als er nicht mehr weiterwusste, fiel ihm etwas ein, das Adair ihm über den Eisbrecher gesagt hatte, dass er von der NOAA gechartert worden war. Bei seinem fünften Anruf in Washington an dem Nachmittag (wer scherte sich um die Kosten? Er war ohnehin so gut wie pleite) fragte er sich durch die Bürokratie durch, bis er jemanden am Apparat hatte, der am selben Nachmittag mit einem Eisphysiker namens Mark gesprochen hatte. »Sie wohnen in einem Hotel namens ›Skandia‹. Oder ›Sandia‹. Jedenfalls so ähnlich.«
Es war das ›Skandia‹, und als Frank mit dem Taxi zu dem Hotel fuhr, wurde ihm zweierlei klar. Erstens, Annie hatte Angst. Soviel wenigstens stand fest, nach ihrem Blick zu urteilen. Zweitens, irgendetwas war passiert, sonst wären sie nicht schon zurück. Der Kai wäre nicht gesperrt worden. Und Neal Gleason wäre nicht in Hammerfest und würde andere nicht auf Autorücksitze stoßen.
Frank war Gleason drei- oder viermal begegnet, als er mal zwei Jahre lang über die nationale Sicherheit berichtet hatte. Gleason war keine zuverlässige Quelle – damals und heute nicht. Im Gegenteil, das eine Mal, dass Gleason ihm was gesteckt hatte, war es falsch gewesen – sogar eine Lüge, die Frank fast seinen Job gekostet hätte. Deshalb war Gleason für ihn ein Arschloch. Und nicht bloß irgend ein Arschloch, sondern die Sorte Arschloch, die sehr wahrscheinlich keinen blassen Schimmer von Epidemiologie hatte.
Aber von Terrorismus verstand Gleason was. Wenn Frank sich recht erinnerte, war er so etwas wie ein Verbindungsmann. Er hatte ein Büro in Washington, in einem dieser komischen kleinen Gebäude mit Kameras am Dach. FBI/CIA – irgend so was. Er würde sich kundig machen, wenn er wieder zu Hause war, aber allein schon das Wissen, dass Gleason hier war, gab ihm ein besseres Gefühl. Denn Gleason ging nur dorthin, wo es Probleme gab, und Probleme bedeuteten Nachrichten.
Im ›Skandia‹ angekommen, hatte er im Nu zwei von den NOAA-Leuten ausgemacht. Sie waren in der Hotelbar und aßen Gravlax und Hering und tranken Bier. Er kam mehr oder weniger gleich zur Sache, erzählte Ihnen, wer er war und was er hier machte. Überaus freundlich gab er eine Runde aus und spulte seine Geschichte ab, wobei er detailliert erzählte, was er alles durchgemacht hatte, nur um »versetzt zu werden, und das nicht einmal, sondern gleich zweimal. Also, was ist da draußen passiert?«
Die Physiker tauschten Blicke aus. Schließlich sagte der namens Mark: »Ich würde ihnen ja gerne helfen, aber –«
»Wir könnten Schwierigkeiten kriegen.«
»Die Sache ist heikel«, erklärte Mark.
Frank ließ sich das Wort auf der Zunge zergehen, als würde er den Geschmack testen. »Heikel«, wiederholte er.
»Ja.« Die Wissenschaftler blickten einander an und nickten: Es war genau das treffende Wort. »Wir dürfen nicht darüber sprechen«, sagte Brian.
»Wir sind gewissermaßen zum Stillschweigen verpflichtet«, fügte Mark hinzu.
Frank nickte verständnisvoll. »Deshalb war wohl auch das FBI da. Die haben viel mit heiklen Sachen zu tun. Ich und Neal, wir kennen uns ja schon eine ganze Weile.«
»Wer ist Neal?«, fragte Brian.
»Gleason«, erwiderte Frank. »Der Typ mit der Sonnenbrille.«
Brian nickte bestätigend. »Und der ist beim FBI?«
»Ja«, sagte Frank. »Hat er euch nichts davon gesagt?«
Mark schüttelte den Kopf. »Er hat sich nicht mal vorgestellt. Ich hatte den Eindruck, die wären alle von der Botschaft.«
Frank schüttelte den Kopf. »Nee, nee. Neal ist beim FBI und nirgendwo anders.«
Er wollte sie mit Small talk bei Laune halten und so lange eine Runde nach der anderen ausgeben, bis sie wieder auf
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