Das erste der sieben Siegel
Geheimhaltung der jeweiligen Behörde gerichtet und begann mit dem gleichen Wortlaut:
Sehr geehrte Damen und Herren,
mit folgendem Antrag berufe ich mich auf das ›Gesetz zur Informationsfreiheit‹ (5 U.S.C.552).
Ich bitte um die Freigabe von sämtlichen Informationen oder Unterlagen, die im Zusammenhang mit der Expedition von Dr. Benton Kicklighter und Dr. Anne Adair stehen, die kürzlich an Bord der Rex Mundi, eines norwegischen Eisbrechers, von der russischen Stadt Murmansk zum Archipel Svalbard gefahren sind. Soweit ich unterrichtet bin, fand die Expedition unter der Schirmherrschaft der National Science Foundation (NSF) statt, mit dem Ziel, die Leichname von fünf Bergleuten in dem Dorf Kopervik zu exhumieren. Das Schiff verließ Murmansk am oder um den 23. März und kehrte fünf Tage später nach Hammerfest (Norwegen) zurück.
Des Weiteren bat er in dem Brief um schnellstmögliche Erledigung seines Antrags, da er im öffentlichen Interesse liege. Als er den Brief geschrieben hatte, setzte er, als wäre ihm der Gedanke erst nachträglich gekommen, Folgendes darunter:
cc: Williams & Connolly
Dabei handelte es sich um die Anwaltskanzlei, die für die Post arbeitete. Eigentlich wäre es nicht erforderlich gewesen, die Kanzlei zu erwähnen, da Regierungsbehörden gesetzlich verpflichtet waren, Anträge binnen zehn Tagen zu erfüllen. In der Praxis jedoch untergruben die Behörden die Absicht der Gesetzgebung, indem sie lediglich den Eingang des Briefes bestätigten, ohne die beantragten Unterlagen herauszurücken. Das war häufig der Fall, wenn die Antragsteller normale Bürger waren, die im Eigeninteresse handelten und nicht wussten, dass sie die Herausgabe einklagen konnten. Frank wollte signalisieren, dass er (und die Post) bereit waren, vor Gericht zu gehen.
Als er die Briefe ausgedruckt hatte, brachte er sie zur Post an der Columbia Road. Es war ein kurzer Fußweg, aber ein abwechslungsreicher, denn er kam an einem Mann vorbei, der aufblasbare Gummitiere verkaufte, an Geschäften, die sich auf Nostalgietoaster, Lavalampen und skurrile Masken spezialisiert hatten, an einem neuen äthiopischen Restaurant, einer In-Kneipe namens ›Millie & Al’s‹.
Der Mann hinter dem Postschalter war ein fröhlicher Jamaikaner, der ein blaues Taschentuch auf dem Kopf hatte, dessen Zipfel zu akkuraten kleinen Knoten gebunden waren. »Was haben wir denn da, Mister?«
Frank gab ihm die Briefe.
»Hochoffizielle Sachen!«, rief der Jamaikaner, als er nacheinander einen schrägen Blick auf die Adressen warf. »Donnerlittchen! Ssi-Aii-eh! Eff-Bii-Aii! Pent-a-gonn!« Er blickte auf. »Interessantes Leben, Mann!« Lachend nahm er Franks Geld entgegen, gab Wechselgeld zurück und warf die Briefe in den Postsack hinter sich. »Wir danken für Ihr Vertrauen. Der nächste, bitte!«
In den folgenden Tagen tätigte Frank Telefonanrufe und arbeitete an der Influenzastory – und zwar für ihn noch immer an ›Teil eins‹.
Die Anrufe gingen immer an dieselben drei Leute, immer mit dem gleichen Ergebnis. Neal Gleason war nicht im Büro, und Kicklighter war nicht an seinem Schreibtisch. Adair war einfach nirgends aufzufinden, doch ihr Anrufbeantworter nahm seine Nachrichten auf. Gleasons Privatnummer stand nicht im Telefonbuch, und die von Kicklighter auch nicht. Zweimal bekam Frank den Wissenschaftler spätabends an den Apparat, aber der alte Mann sagte jedes Mal nur »Hallo?«. Woraufhin er auflegte – woraufhin er sich eine Geheimnummer geben ließ.
Als er die Influenzastory fertig hatte, ließ er sie per Kurier zur Stiftung in der K Street bringen. Am nächsten Nachmittag rief Coe an und sagte, dass ihm der Artikel gut gefiel und dass er meinte, »ein zweiter Teil wäre nicht erforderlich«.
»Wunderbar«, sagte Frank. »Das denke ich auch.«
Es entstand eine Pause, die Coe gleich darauf mit einer Frage füllte. »Was steht als nächstes an? Nichts Kostspieliges, hoffe ich.«
»Ich hab mir überlegt, ich fahre nach New Mexico«, erwiderte Frank. »Schreibe einen Artikel über das Sin-Nombre-Virus, besuche Taos, rede mit den Leuten vom Gesundheitsamt. Ist eine gute Story.«
Coe klang erleichtert. »Ausgezeichnet«, sagte er. »Ich freu mich schon drauf.«
»Ja, Sir.«
Aber Frank reiste nicht sofort ab. Am Montagabend fuhr er nach Springfield, wo er mit Bekannten Hallenfußball spielte. Es war ein heißumkämpftes Match gegen eine peruanische Mannschaft, die fast ebenso hart wie gut spielte. Frank schoss zwei Tore,
Weitere Kostenlose Bücher