Das erste der sieben Siegel
normalen.«
Als der Kellner gegangen war, wandte Coe sich wieder Frank zu. »Also, ich muss schon sagen, das ist … ärgerlich.«
Frank verzog das Gesicht. »Ich weiß.«
»Wir hatten eigentlich schon beschlossen, den ersten Teil als Aufmacher der Mai-Ausgabe zu bringen. Jetzt … tja, müssen wir uns wohl was anderes überlegen.«
Frank verzog das Gesicht zu einer Grimasse, die Bedauern ausdrücken sollte.
»Was haben wir sonst noch, Jennifer?«
Sie dachte nach. »Es ist alles ziemlich dürftig. Marquardts Artikel über die Taliban. Aber ich glaube, er hat keine Fotos, und überhaupt ist die Sache nicht gerade aktuell. Dann noch Coronas Story über Teenager in den Slums von L.A. Die ist zwar ganz gut, aber …«
»Was mir Kopfzerbrechen bereitet«, unterbrach Coe sie, »ist, dass Sie soviel Zeit auf die Story verwandt haben. Wie viel? Einen Monat? Sechs Wochen?«
»Zwei Monate«, sagte Frank. »Etwa zwei Monate.«
»Tja, natürlich kommt so was schon mal vor, aber – Sie haben ein Vermögen ausgegeben, Frank.«
»Ich weiß.«
»Und?«
Beim Kaffee erzählte er ihnen, dass er das Schiff von Murmansk nach Kopervik verpasst hatte und Kicklighter und Adair dann plötzlich in Hammerfest nicht aufzufinden waren. »Ich habe also einen ganz guten Aufhänger über die Grippe, aber nichts darüber, was sie tatsächlich in Kopervik gefunden haben.«
Coe nahm einen letzten, genüsslichen Bissen grüne Bohnen, nippte an seinem Kaffee und schüttelte den Kopf. »Also, ich finde, die sind ihnen eine Erklärung schuldig – das ist das Mindeste. Was sagen Sie?«
»Sie sagen, sie sind ›nicht im Hause‹.«
»Verstehe …«
»Aber damit kommen sie bei mir nicht durch. Ich werde Kicklighter die Tür einrennen, wenn’s sein muss, bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag.«
Der ältere Mann nickte zerstreut. »Das ist ja alles schön und gut, aber … ich weiß nicht, ob Sie ihre Zeit nicht besser nutzen sollten.« Dann beugte er sich vor, als wollte er ihm etwas Vertrauliches sagen. »Das Problem ist, ich bin leider ein ziemlicher Fan …«
Frank zuckte zusammen. Er wusste, was kommen würde. »Was für ein Fan?«, fragte er.
»Also, ehrlich gesagt, Frank – ein Fan von Ihnen. Und ich muss gestehen, ich habe … ich habe sozusagen … mit ungelegten Eiern gehandelt.«
Frank warf ihm einen verwirrten Blick zu.
»Die Sache ist die: Ich habe leider mit dem einen oder anderen Chefredakteur über die Serie geplaudert … und sie sind sehr interessiert –«
»Großer Gott«, stöhnte Frank. »Mit wem?«
»Vom Atlantic«, erwiderte Coe, »von der Times. Natürlich von der Post – aber die Post ist schließlich leicht zu begeistern.«
Frank seufzte.
»Ich war sogar mit dem Idioten von Vanity Fair essen, aber – nun ja, ich fürchte, es wird da einige – Enttäuschungen geben.« Er sprach das Wort so aus, als wäre es ein Synonym für ›Häme‹.
Zu mehr ließ Coe sich so gut wie nie hinreißen, wenn er jemandem eins auf den Deckel gab. Er erging sich in Anspielungen, wobei sich das Eigentliche im Unterton oder zwischen den Zeilen verbarg. Hin und wieder äußerte er sich sehr hintersinnig, sodass seine Absichten nur schwer zu enträtseln waren. Doch in diesem Fall war die Deutung einfach: Frank hatte die unverzeihliche Sünde begangen, Coe wie einen Idioten aussehen zu lassen. Er, Frank, war für die ungelegten Eier verantwortlich. Oder anders ausgedrückt, er war ein Versager. Und nicht nur irgendein Versager, sondern ein Eliteversager. Die Johnson Foundation sichtete jedes Jahr Tausende von Bewerbungen und wählte daraus ein halbes Dutzend Stipendiaten aus, ein wahres Sprungbrett für journalistische Karrieren. Alles in allem hatte Frank sich ganz gut bewährt, und dann auf dem Weg nach Murmansk hatte er versagt.
»Hören Sie – die Sache ist noch nicht gestorben«, sagte er zu seiner eigenen Überraschung.
Coe blickte skeptisch.
»Der erste Teil ist wirklich gut. Ich kann ihn innerhalb von ein, zwei Tagen fertig kriegen.«
»Und wie wollen Sie das schaffen?«
»Er steht praktisch schon. Ich habe in China daran gearbeitet, und dann in Europa. Es ist ein solider Artikel, der direkt in das Thema einführt.«
»Worum geht’s?«, fragte Coe.
»Um Antigenmutation. Die ist nämlich überfällig, und wenn sie kommt, dann wird das eine schlimme Geschichte. Wenn ich das erklärt habe, gehe ich auf die Hintergründe ein, Wildenten, Viren im Allgemeinen und das Virus von 1918 im Besonderen. Ich
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