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Das erste der sieben Siegel

Titel: Das erste der sieben Siegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Case John F.
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man sich gut genug kleidete, war das so, als wäre man unsichtbar – zumindest was die Cops anging und Leute vom Sicherheitsdienst und so weiter. Wenn man sich richtig kleidete, ließen sie einen in Ruhe. Das war praktisch ein Gesetz.
    Jedenfalls waren die Sachen echt teuer – das Kostüm allein kostete mehr als das Flugticket –, und es war einfach unsinnig, sie zu kaufen. Erst recht, wenn man sie leihen konnte.
    Die meisten Sachen kaufte sie in Secondhandläden. Auf diese Weise taten sie was für den Umweltschutz, und sie verschwendeten kein Geld, das sie für wichtigere Dinge ausgeben konnten (zum Beispiel für eine gute Zentrifuge). Sogar Baumwolle – die ja als umweltfreundliches, natürliches Material galt – Baumwolle herstellen war wie … nach Öl bohren oder so. Also im Grunde Umweltverschmutzung! Aber mit ihrer Methode konnte Belinda oder irgendwer von den anderen in der Abteilung für Sondereinsätze alles zurückbringen, sobald sie und Tommy von der Pazifikküste heimkehrten.
    Susannah ließ den Blick durch den Bus schweifen. Im Grunde war ein Bus gar kein so schlechter Ort, um ein Baby zu stillen. Die Sitze waren so hoch, dass man sich einigermaßen verstecken konnte, und er war nicht sehr voll besetzt.
    Stephen gab kleine, nasse, schmatzende Geräusche von sich, als er trank. Nach einigen Minuten legte sie ihn an die andere Brust an, während L.A. am Fenster vorbeiglitt. Es zog weiß Gott langsam vorbei. Der Verkehr war dicht, und manchmal verging eine ganze Ampelphase, ohne dass sie von der Stelle kamen: rot, grün, gelb, rot, hallo? Aber keiner hupte; die Fahrer waren es offenbar gewohnt. Kein Wunder, dass der Himmel eine so eklig graue Farbe hatte.
    Als der Fahrer sagte, »nächster Halt Wilshire Boulevard«, hatte sie ihre Bluse bereits wieder zugeknöpft und Stephen sein Bäuerchen gemacht. Sie faltete die Stoffwindel zusammen, auf der sie Stephen immer sein Bäuerchen machen ließ, steckte sie zurück in die Windeltasche und nahm dann aus dem kleinen wattierten Fach unten in der Tasche eine Glühbirne, bückte sich und legte sie auf den Boden, wo sie sie mit dem Fuß festhielt.
    Praktisch im selben Moment, als sie aufstand und die Birne losließ, gab der Fahrer Gas, um einen in der zweiten Reihe parkenden Wagen zu überholen, und fuhr dann an die Bushaltestelle. Sie hörte, wie die Glühbirne über den Boden rollte, als sie nach vorne zum Busausstieg ging.
    Natürlich wusste sie nicht, wann und wo die Glühbirne zerbrechen würde. Vielleicht rollte sie den ganzen Tag herum, oder vielleicht platzte sie auch schon, bevor Susannah ausgestiegen war. Es war nicht vorherzusagen. Nicht wirklich.
    Auch aus diesem Grund mochte Solange die Glühbirnenmethode. Sie funktionierte nach dem Zufallsprinzip, sagte er, wie die Natur.
    Als sie ausgestiegen war, wusste sie nicht, wo sie war – Norden, Süden, Osten, Westen. Sie könnte überall sein. Also ging sie zu einer rothaarigen Frau hinüber, die an einem Tisch vor einem Café saß, nur wenige Schritte von der Bushaltestelle entfernt.
    »Entschuldigen Sie?«
    Die Frau blickte von einem kleinen ledernen Notizbuch auf, in das sie geschrieben hatte. Ihr Gesicht hatte einen verblüfften Ausdruck.
    »Wissen Sie, wo der Rodeo Drive ist?« Susannah setzte Stephen von einer Hüfte auf die andere.
    Die Frau musterte sie von oben bis unten – als würde sie sich ausrechnen, wie viel Susannah für ihr Outfit ausgegeben hatte, oder, schlimmer noch, als bezweifelte sie, dass ihr die Sachen wirklich gehörten. Dann seufzte sie und ließ den Blick zur Straßenecke schweifen. »Hier gleich rechts«, sagte sie.
    Susannah lächelte dankbar.
    »Übrigens«, fügte die Frau hinzu, wobei ihr Gesicht sich zu einem bösartigen Lächeln verzog, sodass Susannah am liebsten eine Glühbirne hervorgeholt und sie nach dem Miststück geworfen hätte, »es heißt Roh- day -oh Drive. Nicht Roa-dy-oh.«
    »Vielen Dank«, sagte Susannah und ging in die Richtung, die ihr die Frau genannt hatte. Woher sollte sie wissen, dass es nicht so ausgesprochen wurde, wie es nahelag? Rodeo. Eben wie ein. Ro-de-oh. Schließlich war sie hier im Westen, oder?
    Frauen taxierten andere Frauen mehr als Männer, obwohl Männer sie anders taxierten. Außer schwulen Männern, die sie genauso taxierten, wie Frauen es taten. Bei Männern, die dich anmachen wollten, änderte es auch nichts, wenn du ein Baby dabei hattest. In Wahrheit taten ihr die vielen bewundernden Blicke sogar gut. Sie hatte das

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