Das erste der sieben Siegel
Bergmans auf eine genauere Untersuchung drängten. Anscheinend begnügen sich alle damit, was diese Leute erzählen, nur ich nicht. In der Tat. Ein Totenschein hatte Harry Bergman nicht gereicht. Er hatte eine Autopsie verlangt.
Und anscheinend hatte er endlich bei der Staatsanwaltschaft ein offenes Ohr gefunden – als Bergman verschwand.
Frank suchte nach dem Ausdruck der Artikel aus dem Times-Journal. Wie hieß der Reporter? Overbeck. Er war der einzige, der mehr als nur einen Beitrag geschrieben hatte.
Er rief die Auskunft an und stieß auf einen E. Overbeck, der in einer Stadt namens Port Ewen am Hudson wohnte. Er wählte die Nummer.
Eine Mädchenstimme meldete sich nach dem zweiten Klingeln. »Hallo?«
»Ist Eric da?«
»Ja, Moment. Oh! Wer ist denn da?«
»Frank Daly!«
Es gab ein Geräusch, als sie den Hörer hinlegte, und Frank hörte sie vom Telefon weggehen. Von fern klang ihre Stimme: »Daddy! Daddy! Telefon!«
Frank bekam noch mit, was die beiden zueinander sagten, als sie wieder in Hörweite kamen: »Ich weiß nicht«, sagte die Kleine ungeduldig. »Frag ihn doch selbst.«
»Hallo?«
»Eric Overbeck?«
»Ja?« Zögerlich.
»Mein Name ist Frank Daly. Ich bin Reporter bei der Post.« (Na ja, in gewisser Weise. Es klang jedenfalls sehr viel überzeugender als Ich bin bei der Post, aber beurlaubt.)
»Oh, ja, klar! Was kann ich für Sie tun?«
Frank hörte dem Mann an der Stimme an, wie beeindruckt er war. Schön zu wissen, dass die Zeitung noch immer soviel Ansehen genoss. »Tja, so genau weiß ich das ehrlich gesagt gar nicht. Ich arbeite an einem Beitrag, der mit ein paar von Ihren Artikeln zusammenhängt. Ich denke, ich habe wohl gehofft, Sie könnten mir ein paar Tipps geben.«
»Sie meinen das AKW, stimmt’s?« Er klang aufgeregt. Sogar glücklich.
»Ah, nein«, erwiderte Frank. »Nein, eigentlich rufe ich wegen der Bergmans an. Sie haben da ein paar Artikel geschrieben –«
»Ja.«
Hundertachtzig Grad.
Overbecks Stimme klang nicht mehr nach eifrigem Reporter, der darauf erpicht war, seinen Namen in der Post zu lesen. Eher wie jemand, der gerade per Gerichtsbeschluss dazu verdonnert worden war, öffentlich gegen die Hisbollah auszusagen. »Hören Sie«, sagte Overbeck, »ich würde Ihnen ja gerne helfen, aber ich bin gerade sehr beschäftigt.«
»Es wird nicht lange dauern.«
»Tut mir leid. Ich habe wirklich keine Zeit.«
»Aber –«
»Versuchen Sie nicht, mich zu überzeugen«, sagte Overbeck. »Ich will einfach keinen Ärger, okay? Die Zeitung, für die ich arbeite, hat eine Auflage von zweitausend. Wenn wir vom ›Tempel‹ verklagt werden, bin ich meinen Job los. So einfach ist das.«
»Haben die gedroht, Sie zu verklagen?«
»Dazu sage ich gar nichts.«
»Haben sie gedroht –«
»Ich muss Schluss machen«, sagte Overbeck.
Und dann war er weg.
Frank versuchte, ihn erneut anzurufen, aber die Leitung war besetzt. Und das blieb sie auch, bis klar war, dass der Hörer neben dem Apparat lag.
Er ging in die Küche und holte sich eine Flasche Negra Modelo aus dem Kühlschrank. Zurück im Wohnzimmer, rief er Annie an und erzählte ihr, was er gemacht und gehört und sich überlegt hatte.
»Sie meinen also, die haben sie umgebracht«, sagte sie. Es war keine Frage.
»Jawohl«, sagte er. »Ich bin ziemlich sicher.« Langes Schweigen am anderen Ende. »Kann ich vorbeikommen?«, fragte er. Die Leitung blieb stumm.
»Heute Abend besser nicht«, sagte sie. »Ich bin noch immer ziemlich schlapp. Vielleicht morgen.«
Sie schwiegen beide, aber keiner legte auf.
Schließlich fragte sie: »Was nun?«
Er zuckte die Achseln. Wortlos. Dann lachte er, weil sie es ja nicht sehen konnte. »Ich werde ein paar Leute anrufen. Den Staatsanwalt von Dutchess County. Einen PD in Poughkeepsie.«
»Einen was?«
»Einen Privatdetektiv. Der hat für die Bergmans gearbeitet. Er heißt Kramer. Martin Kramer.« Er stockte. »Und dann … mein Vater ist krank, also –«
»Oh, nein!«
»Ich werde ihn wohl besuchen müssen.«
Am Nachmittag des folgenden Tages stand er in der Eingangshalle des Krankenhauses St. Mary’s und wartete darauf, Blickkontakt mit einem menschlichen Wesen zu bekommen. Der Wachmann schien mit seinen Gedanken irgendwo auf dem Mars zu sein; etliche Krankenpfleger und Schwestern hasteten ein und aus, ohne ihn anzusehen. Die Frau am Empfang, die unter dem matten Neonlicht aussah, als müsste sie selbst eingeliefert werden, beendete schließlich ihr langatmiges
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