Das erste der sieben Siegel
auch Krankenhäuser und Militärstützpunkte, war es für die Universität sehr viel kostengünstiger, mit Dampf zu heizen als mit Strom.
Andrew ging den Hügel hinab Richtung Westcampus, wo das Heizwerk Walnut Street lag. Auf den Bürgersteigen drängten sich die Studenten auf dem Weg von oder zu irgendwelchen Seminaren, und er kam nur langsam voran. Aber das machte nichts: Er hatte jede Menge Zeit.
Trotzdem war er nervös. Obwohl es bloß ein Test war – wenn man ihn dabei erwischte, wie er etwas anderes als Amertrol in die Kesselspeisepumpe füllte, konnte er einpacken. Und was, wenn viele Leute krank wurden, richtig krank – konnten sie ihm dann auf die Schliche kommen?
Er dachte darüber nach. Nein, entschied er. Das war ja das Tolle daran.
Der andere Grund für seine Nervosität war der, dass er seine Sache gut machen wollte. Solange verließ sich auf ihn. Das hatte die Frau von der Einheit für Sondereinsätze gesagt, und er glaubte es. Vor zwei Wochen hatte sie plötzlich vor seiner Tür gestanden, unangekündigt, einen Walkman in der Hand. »Das sollst du dir anhören«, hatte sie gesagt und ihm den Kopfhörer gereicht.
Und dann erklang Solanges Stimme tief in seinem Kopf und sagte: Andrew … die Frau heißt Belinda, und ich möchte, dass du genau das tust, was sie dir sagt. Keine Frage, dass es Solange war. Andrew hatte seiner Stimme unzählige Male gelauscht – im Radio, Fernsehen, auf Kassetten. Diese Stimme war unverwechselbar, so einmalig wie ein Hurrikan. Und als er hörte, dass Solange ihn persönlich mit Namen ansprach, mit ihm redete, als seien sie alte Freunde, klopfte ihm das Herz vor Freude bis zum Hals. Wir brauchen deine Hilfe im Geheimen Krieg. Es geht um alles, und du bist der Einzige, der das tun kann. Lass mich nicht im Stich, Andrew. Lass mich nicht im Stich, mein Freund.
Bis zu diesem Moment hätte er es nie für möglich gehalten, dass irgendwer auf dem Anwesen – und schon gar nicht Solange – überhaupt von seiner Existenz wusste. Er hatte Schecks geschickt, natürlich, und alle notwendigen Veröffentlichungen bestellt. Er hatte an Seminaren teilgenommen und sich seine Chakras im Wellness-Zentrum in Big Sur aufeinander abstimmen lassen. Aber er war nie auf dem Anwesen selbst gewesen, und er hatte auch noch nie jemanden kennen gelernt, der im ›Tempel‹ eine wichtige Position inne hatte. Bis jetzt.
Und trotzdem hatte Belinda alles über ihn gewusst, sogar Dinge, die er selbst nicht gewusst hatte – bis sie sie ihm offenbarte. Solange sagt, ihr wart in einem früheren Leben Brüder. Ist das möglich, Andrew? Hast du das gespürt?
Und ob er das gespürt hatte!
Er passierte das Footballstadion, ging durch das Sicherheitstor des Heizwerks und zum Umkleideraum. Er hängte seinen Rucksack und die Jacke in den Spind, nahm seine rote Schutzkleidung heraus und zog sie sich über die Jeans und das Hemd. Die Schutzkleidung war weit und hatte eine große Tasche, in die die Thermosflasche bequem hineinpasste.
Die Thermosflasche sah aus wie eine von diesen schicken verchromten Dingern, die man bei ›Starbucks‹ kaufen kann. Und falls ihn einer fragte, würde er genau das sagen.
Die Anlage war schon irgendwie toll, obwohl nur wenige Leute wussten, wie sie funktionierte oder was für Leistungen sie wirklich erbrachte. Die meisten – selbst Ingenieure – dachten, dass sie ein geschlossenes System wäre, um im Winter die Wärmeversorgung zu sichern. Aber das stimmte nicht. Der auf rund vierhundert Grad aufgeheizte Dampf wurde das ganze Jahr über benutzt. Über das kilometerlange Leitungssystem heizte er im Winter, betrieb im Sommer die Klimaanlagen und lieferte ganzjährig warmes Wasser. Und das System war alles andere als geschlossen, denn der überschüssige Dampf wurde über unterirdische Ablassöffnungen, die auf dem ganzen Campus verteilt waren, ins Freie geleitet.
Ohne diese Öffnungen wäre das System nicht funktionsfähig gewesen, weil sie die sogenannten ›Wasserhämmer‹ verhinderten. Leute, die zu Hause Zentralheizungen hatten, kannten dieses Phänomen. Wasserhämmer waren im Grunde durch Kondensation hervorgerufene Druckschwankungen, die durch die Leitungen jagten und sie erbeben und pochen ließen. Um diesen Missstand in einem Privathaus zu beheben, entlüftete man die Rohrleitungen und glich den Druck aus. Aber das, was in einem privaten Heizsystem lediglich ärgerlich war, stellte in einem industriellen System, das Heißdampf verwendete, ein Problem von
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