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Das erste der sieben Siegel

Titel: Das erste der sieben Siegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Case John F.
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zurückzufahren, als mit ihr zu debattieren, und so tat er es.
    »Die Sachen sind im Schlafzimmer«, sagte sie. »Nicht gerade viel. Er war kein großer Sammler.«
    Frank ging ins Schlafzimmer, wo die Kleidung des Alten Herrn ordentlich gestapelt auf dem Bett lag. Ein paar abgetragene Sportjacketts, ein halbes Dutzend Hosen auf Drahtbügeln, zwei Schachteln mit Hemden, frisch aus der Reinigung, und ein dunkelblauer Mantel. Mit einem unbehaglichen Gefühl probierte Frank den Mantel an und stellte zu seinem Erstaunen fest, dass er ihm um die Schultern spannte. Er hatte immer geglaubt, sein Vater sei kräftiger als er. Doch offenbar nicht.
    Er legte den Mantel zurück aufs Bett und ging zur Kommode hinüber. In den Schubladen, die er eine nach der anderen herauszog, fand er das übliche – T-Shirts und Unterwäsche, Socken und Polohemden, ein paar Pullover und Sweatshirts. Eine alte Timex lag oben auf der Kommode und daneben eine abgegriffene Brieftasche.
    Er kam sich vor wie ein Dieb, als er die Brieftasche aufklappte und hineinsah. Sie enthielt zwölf Dollar in bar, Führerschein, zwei Kreditkarten, Versicherungsunterlagen, Scheckkarte. Sein Gewerkschaftsausweis war auch da. Und ganz hinten, da wo Daphne es nicht so schnell sehen würde, steckte ein Schwarzweißfoto von Franks Mutter.
    Er nahm das Bild heraus und tat es in seine eigene Brieftasche, dann schaute er sich noch ein letztes Mal um. Mehr war nicht da.
    »Ich muss zurück an die Arbeit«, sagte er.
    »Natürlich, aber –«
    »Melde dich … du weißt, wenn ich irgendwas für dich tun kann.«
    »Aber willst du denn gar nichts von den Sachen?«, fragte sie.
    Frank schüttelte den Kopf. »Nein, ich denke nicht. Du solltest sie der Wohlfahrt spenden.« Er stand neben der Tür.
    »Tja, die Bücher musst du dir aber noch ansehen«, sagte sie. »Es wäre nicht richtig, sie einfach wegzuwerfen.«
    »Welche Bücher?«, fragte er.
    Sie ging aus dem Zimmer und kehrte kurz darauf mit drei übergroßen Alben zurück – wie man sie für Fotos benutzt. Alle drei waren in weinrotes Lederimitat eingebunden und hatten einen umlaufenden Goldrand. Sie reichte sie ihm, und er schlug neugierig das oberste auf.
    Auf der ersten Seite war der erste Artikel von ihm, bei dem er namentlich genannt worden war. Ein langer Beitrag in der Alliance über orthodoxe Juden unter den Emigranten in Brighton Beach. Dann kamen die Artikel, die er für die Village Voice geschrieben hatte, und dann sein allererster für die Post. Der vergilbte Zeitungsausschnitt war sorgfältig mit der Schere herausgetrennt und mit durchsichtigem Klebeband befestigt worden. Rechts davon stand mit blauem Kugelschreiber das Datum: 16. Juli 1992.
    Frank war sprachlos. In diesen drei Alben waren wohl Hunderte von Artikeln – tatsächlich jeder Beitrag, den er je veröffentlicht hatte. Er sah Daphne an, die traurig die Schultern hochzog. »Wie?«, fragte er.
    »Er hat sie … einfach abonniert«, sagte sie. »Immer alles abonniert.«
    Er hatte Annie am Abend der Totenwache von Kerwick aus angerufen, daher wusste sie bereits von seinem Vater, als er wieder in Washington eintraf.
    »Wie fühlen Sie sich?«, fragte sie.
    »Na ja, ganz gut. Ich bin froh, dass ich hingefahren bin. Und wie fühlen Sie sich?«
    »Sie meinen, mit der Grippe?«
    »Ja.«
    »Ich glaube, so allmählich gibt sie auf«, sagte Annie. »Ich gehe jedenfalls wieder arbeiten. Gibt’s irgendwas Neues?«
    »Ich habe noch mal das Material durchgesehen, das ich über die Leute gesammelt habe, die ertrunken sind oder angeblich ertrunken sind, und das ist ganz interessant.«
    »Inwiefern?«, fragte sie.
    »Also, zunächst einmal sind die Nachrufe alle gleich. Als hätte sie ein und dieselbe Person wie am Fließband produziert, und ich vermute, dem war auch so. Dann die Familien – ich bin endlich dazu gekommen, sie anzurufen.«
    »Und was haben sie gesagt?«
    »Die erste, die ich erreicht habe, war O’Reillys Schwester Megan, die – wie sich herausgestellt hat – Mitglied beim ›Tempel des Lichts‹ ist. Genau wie ihr Bruder.«
    »Ha!«, sagte Annie.
    »Und dann wären da Mr. und Mrs. Garcia, die Eltern von Arturo. Ebenfalls Mitglieder.«
    »Wirklich?!«
    »Allerdings, aber das habe ich erst rausgefunden, nachdem ich mit ihnen geredet hatte. Der Staatsanwalt von Dutchess County hat mir erzählt, dass sie voll drauf sind.«
    »Was soll das heißen, ›voll drauf‹?«, fragte Annie.
    »Na ja«, sagte Frank. »Eben, dass sie da richtig

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