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Das erste der sieben Siegel

Titel: Das erste der sieben Siegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Case John F.
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mitmischcn. Wobei es sich hier natürlich um eine Sekte handelt, und deshalb –«
    »Hab schon verstanden.«
    »Okay. Jedenfalls haben die beiden richtig seltsam reagiert. Ich meine, sie waren feindselig. Sie mochten meine Fragen nicht und hatten selbst eine ganze Menge Fragen an mich. ›Nein, wir finden nicht, dass an dem Unfall auf der Crystal Dragon irgendwas eigenartig war. Und nein, wir haben keinen Grund zu der Annahme, dass Arturo oder Thomas noch leben! Wie, sagten Sie, war noch mal Ihr Name? Und ihre Telefonnummer? Wer ist Ihr Vorgesetzter?‹ Sie meinten, ich würde sie mit meinem Anruf aufgrund ihres Glaubens schikanieren. Ist das zu fassen? Ich meine, würden Sie so reagieren, wenn Sie angerufen würden?«
    »Natürlich nicht«, erwiderte Annie. »Aber was war mit den anderen?«
    »Tja, das ist die Kehrseite der Medaille. Ich habe mit Ross Stevens’ Tochter gesprochen – übrigens, der Bursche war nicht mehr ganz so jung, schon zweiundfünfzig – und mit Chris Yates’ Mutter. Und bei den beiden war es völlig anders.«
    »Wie denn?«
    »Nun … die wollten nicht mit mir sprechen. Ich meine, überhaupt nicht.«
    »Weil es ihnen … zu weh tat?«
    »Nein. Weil sie eine Heidenangst hatten.«
    Annie verstummte.
    »Ich weiß ja, dass ich vielleicht voreilige Schlüsse ziehe«, fuhr Frank fort, »aber – die Eltern, die sich nicht zufrieden gegeben haben und eine Untersuchung wollten – die Bergmans – tja, die sind spurlos verschwunden, nicht wahr? Ich meine, wenn das stimmt, was der Staatsanwalt sagt, waren sie wie vom Erdboden verschluckt, bis … bis man diesen …«
    »Torso gefunden hat«, sagte Annie. »In den Zeitungen war die Rede von einem ›Torso‹.«
    Eine Weile herrschte Schweigen, dann sagte Frank: »Ich denke, ich fahre mal da hoch in den Norden.«
    »Ich finde, Sie sollten wirklich nicht –«
    »Ich fahre.«
    Langes Schweigen, dann: »Frank?«
    »Was?«
    »Was ist dieser ›Tempel des Lichts‹ eigentlich? Was sind das für Leute?«
    Er überlegte einen Moment, lauschte ihrem Atem am anderen Ende der Leitung. »Ich weiß nicht«, sagte er. »Vielleicht sind das ganz normale Leute. Aber ich glaube es nicht.«

20
    Er fuhr vom New Jersey Turnpike auf die Interstate 287, nahm dann den Highway, der durch New York bis zur kanadischen Grenze verläuft, überquerte den Hudson bei Poughkeepsie und fuhr auf der Hauptstraße in die Stadt. Er hielt nach einem Restaurant namens ›Fernacci’s‹ Ausschau. Als er es gefunden hatte, parkte er auf dem Parkplatz nebenan, stellte den Motor ab und lehnte sich zurück. Es war halb sieben, und er sollte Martin Kramer um sieben Uhr dort treffen.
    Anstatt im Restaurant zu warten, schlug er den Sportteil der Post auf und fing an zu lesen.
    Zwanzig Minuten später kam ein neuer schwarzer Jaguar auf den Parkplatz gefahren. Es war ein XJ-12 mit einem Armaturenbrett aus Walnussholz und, so vermutete Frank, mit Sitzen, die aus den Häuten chinesischer Schwerverbrecher gemacht worden waren. Ein untersetzter Mann stieg aus und betrachtete ihn fragend.
    »Sind Sie Daly?«, fragte er.
    »Ja«, antwortete Frank.
    »Marty Kramer. Freut mich.«
    Sie schüttelten sich die Hand und gingen ins Restaurant, das erstaunlich schick und auf zirka sechzehn Grad klimatisiert war. Viel Fliesen und Holz, und leise Turandot im Hintergrund. Der Empfangschef führte sie zu einem Ecktisch, und sie nahmen Platz.
    »Schöner Schlitten«, sagte Frank mit einem Blick hinüber zum Parkplatz.
    Kramer zuckte die Achseln. »Er bringt mich hin, wo ich hin will.«
    Er war ein kleiner, hühnerbrüstiger Mann mit einer Hakennase, schiefen Zähnen und glitzernden schwarzen Augen. Sein dunkles Haar war kurz geschnitten und borstig und glänzte pomadig. »He, Mario!«, rief er. »Was muss man tun, damit man hier was zu trinken kriegt?«
    Lächelnd kam der Kellner mit der Weinkarte und wies sie zusätzlich auf die Spezialitäten hin. Dann nahm er ihre Getränkebestellung entgegen und verschwand so, wie er gekommen war.
    Im Verlauf der folgenden Stunde arbeiteten sie sich durch zwei Drinks hindurch (die Knicks gegen die Wizards); zwei Portionen Carpaccio (Clinton gegen Starr); mindestens ein ganzes Brot, in Scheiben geschnitten und mit Olivenöl beträufelt (Trainingskost beim Zehn-Kilometer-Langlauf); und ihren Hauptgang: Ossobuco für Kramer und Tortellini für Frank.
    Kramer erwies sich als interessanter Erzähler und guter Zuhörer, aber als schlechter Informant. Nach fünfundfünfzig

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