Das erste der sieben Siegel
Minuten Plauderei hatte Frank noch so gut wie nichts über Kramers Arbeit für die Bergmans erfahren – und das sagte er auch.
»Wissen Sie«, stellte er fest, »Sie haben mir noch gar nichts erzählt.«
Kramer lächelte: »Was wollen Sie wissen?«
»Nun«, sagte Frank und füllte ihre Gläser erneut mit Montepulciano, »zunächst einmal: Wurden die Bergmans ermordet? Was meinen Sie?«
Kramer legte das Gesicht in Falten, wiegte den Kopf hin und her und sagte: »Hören Sie, ich habe ein Problem. Wenn mein Name in die Zeitungen gerät, verliere ich Klienten. So einfach ist das. Und ist ja auch klar. Ich habe Ihnen doch meine Karte gegeben? Was steht da drauf?«
»Da steht, dass Sie Privatdetektiv sind.«
»Genau. Privatdetektiv.«
»Vertrauen Sie mir, das bleibt alles unter uns.«
Kramer grinste spöttisch. »Vertrauen Sie mir …«
Frank lächelte. »Ich meine es ernst.«
Kramer zwinkerte ihm vielsagend zu. »Sind Sie sicher?«
Statt einer Antwort faltete Frank die Hände vor der Brust. »Absolut.«
Kramer seufzte, kapitulierte offensichtlich vor Franks Beharrlichkeit. »Okay«, sagte er und legte seine Serviette beiseite. »Ich riskier’s. Was wollen Sie wissen?«
»Alles, was Sie mir über die Bergmans erzählen können«, erwiderte Frank.
Der Detektiv lehnte sich zurück und überlegte. Schließlich sagte er: »Zwei Spinner.«
Frank lachte, dann erstarb sein Lächeln. »Wieso?«
»Na, was ist denn eigentlich passiert? Der Sohn der Bergmans ist weggelaufen und zum Zirkus gegangen. Na und?«
»Ja, aber … als die Eltern Sie engagiert haben, war der Sohn schon tot. Es ging also nicht darum, einen Vermissten zu finden.«
Kramer spitzte die Lippen zu einem fleischigen Knoten der Skepsis. »Das stimmt nicht ganz«, sagte er. »Die sind, ungefähr sechs Monate nachdem der Junge zum ›Tempel‹ gegangen war, zu mir gekommen. Das ist zwei Jahre her.«
»Und was wollten sie von Ihnen?«, fragte Frank.
»Ich sollte ihn kidnappen. So haben sie es zwar nicht genannt, aber sie haben es gemeint. Die hatten schon einen Psychofritzen engagiert, der ihn wieder ›entprogrammieren‹ sollte.«
»Und was haben Sie gemacht?«, fragte Frank.
Kramer zuckte die Achseln. »Ich habe mich umgesehen. Ein paar Fragen gestellt. Soweit ich sagen konnte, ging es dem Jungen gut. Er war ganz happy. Also bin ich abgesprungen. Hab ihnen gesagt, dass es nicht ginge.«
»Und nachdem er ertrunken war? Haben sie Sie noch mal engagiert?«
Kramer sah einen Moment aus, als sei ihm unbehaglich zumute, dann beugte er sich vor: »Was ich nicht verstehe, ist: Wieso interessiert Sie das überhaupt? Ich meine, das ist nicht gerade eine Story von landesweitem Interesse, und die Post erscheint in Washington – deshalb kapier ich das nicht. Wonach suchen Sie eigentlich?«
»Nach der Wahrheit.«
Kramer schnaubte verächtlich. »Dann sollten Sie wohl lieber Krischnamurti probieren.«
»Sehr lustig«, sagte Frank.
»Jetzt mal im Ernst. Sind Sie Polizeireporter oder was?«
»Nein.«
»Was denn?«
»Ich arbeite an einem medizinischen Artikel, aber das ist eine komplizierte Geschichte. Und um Ihre Frage zu beantworten, ich glaube, man kann sagen, dass ich herausfinden möchte, ob die Leute auf dem Schiff –«
»Die Crystal Dragon?«
»Ja«, sagte Frank. »Ob diese Leute wirklich ertrunken sind oder nicht. Weil sie das nämlich meiner Meinung nach möglicherweise nicht sind. Vielleicht war die ganze Sache getürkt. Und falls ich mich irre und sie wirklich ertrunken sind, dann war es vielleicht Mord.«
Kramer starrte ihn eine ganze Weile an, nippte an seinem Montepulciano und sagte dann: »Wo waren wir?«
Frank musste einen Moment überlegen. »Sie haben gesagt, dass Sie zweimal für die Bergmans gearbeitet haben. Einmal als ihr Sohn sich der Sekte anschloss …«
»Und nachdem er ertrunken war«, sagte der Detektiv. »Das war dann unentgeltlich.« Anscheinend waren Franks Augenbrauen in die Höhe geschnellt, denn Kramer schob hastig eine Erklärung nach. »Sie haben mir leid getan. Und wahrscheinlich habe ich mich auch ein bisschen schuldig gefühlt. Ich weiß nicht … vielleicht hätte ich damals ja doch versuchen sollen, den Jungen da rauszuholen.« Er blickte reuig. »Außerdem war es nicht viel Arbeit«, fuhr er fort. »Ich habe mit ein paar Leuten von dem Schiff geredet –«
»Und wie waren die?«
»Kooperativ. Kamen mir nicht so vor, als hätten sie was zu verbergen.«
Erneut hatte Frank wohl skeptisch
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