Das erste Gesetz der Magie - 1
Nacht. Richard hatte also eine Wahl getroffen. Jetzt also, dachte sie düster, würden die Ältesten eine Zeremonie durchführen, und das glückliche Paar würde irgendwohin verschwinden und ein Kind zeugen. Sie beobachtete andere Paare, die Hand in Hand vorbeispazierten und glücklich waren, zusammen zu sein. Kahlan schluckte den Kloß in ihrem Hals, die Tränen hinunter. Sie hörte, wie Richard krachend in seinen blöden, dämlichen Apfel biß.
Und dann hörte sie, wie allen gemeinsam, den Ältesten und ihren Frauen, der Atem stockte. Und die ersten Schreie.
Der Apfel! In den Midlands galten rote Früchte als Gift. Sie kannten keine Äpfel! Sie mußten denken, Richard äße Gift! Sie wirbelte herum.
Richard hatte den Arm gehoben und wollte, daß alle ruhig sitzenblieben. Dabei sah er ihr genau in die Augen.
»Sag ihnen, sie sollen sich setzen«, sagte er ruhig.
Mit aufgerissenen Augen wandte sie sich den Ältesten zu und teilte ihnen mit, was Richard gesagt hatte. Unsicher ließen sie sich wieder auf ihre Plätze nieder. Richard lehnte sich zurück und drehte sich beiläufig mit unschuldigem Gesichtsausdruck zu ihr um.
»Ihr müßt wissen, in Kernland, in Westland, wo ich geboren bin, essen wir diese Dinge oft.« Er biß noch ein paarmal ab. Sie staunten. »Und das schon solange jeder zurückdenken kann. Männer und auch Frauen. Wir haben gesunde Kinder.« Er biß ein weiteres Stück heraus, drehte sich um und sah zu, wie sie übersetzte. Er warf einen Blick über die Schulter auf den Vogelmann. »Es könnte natürlich sein, daß dadurch der Samen des Mannes für jede Frau, die nicht von uns ist, zu Gift wird. Soweit ich weiß, ist das nie ausprobiert worden.«
Er ließ seinen Blick auf Kahlan ruhen, während er den nächsten Bissen nahm und die Worte wirken ließ, nachdem sie sie übersetzt hatte. Das Mädchen neben ihm wurde nervös. Die Ältesten wurden nervös. Der Vogelmann zeigte keine Regung. Richard hatte seine Arme halb verschränkt, stützte den Ellenbogen mit der freien Hand, so daß er den Apfel immer in der Nähe seines Mundes hatte. Wo ihn jeder sehen konnte. Er wollte gerade wieder abbeißen, zögerte aber und bot der Nichte des Vogelmannes ein Stück an. Sie drehte den Kopf zur Seite. Er sah wieder zu den Ältesten hinüber.
»Ich finde sie recht lecker. Wirklich.« Er zuckte mit den Achseln. »Andererseits verwandeln sie meinen Samen vielleicht in Gift. Aber ich möchte nicht, daß ihr glaubt, ich sei nicht bereit, es zu versuchen. Ich dachte nur, ihr solltet es wissen, das ist alles. Es soll hinterher nicht heißen, ich hätte meine Pflichten für die Aufnahme bei den Schlammenschen nicht erfüllen wollen. Ich bin bereit. Ich bin mehr als bereit.« Er strich dem Mädchen mit dem Handrücken über die Wange. »Ich versichere euch, es wäre mir eine Ehre. Diese prächtige junge Frau würde eine gute Mutter für mein Kind abgeben.« Richard stieß einen Seufzer aus. »Vorausgesetzt, sie überlebt es, natürlich.« Er nahm den nächsten Bissen.
Die Ältesten sahen sich besorgt an. Niemand sagte etwas. Die Stimmung auf der Plattform hatte sich entscheidend geändert. Sie hatten die Dinge nicht mehr in der Hand. Das hatte Richard übernommen, und jetzt trauten sie sich kaum noch, außer den Augen irgend etwas zu bewegen. Ohne sie anzusehen, fuhr Richard fort.
»Die Entscheidung liegt natürlich bei euch. Ich bin bereit, es zu versuchen, ich dachte nur, ihr solltet die Sitten meiner Heimat kennen. Ich hielt es nicht für anständig, sie euch vorzuenthalten.« Jetzt drehte sich Richard zu ihnen um, die Stirn bedrohlich gerunzelt, mit einem Hauch von Drohung in der Stimme. »Sollten mich also die Ältesten in ihrer Weisheit bitten, dieser Pflicht nicht nachzukommen, so habe ich Verständnis dafür und werde mich, wenn auch bedauernd, ihren Wünschen beugen.«
Er bedachte sie mit einem strengen Blick. Savidlin konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Den anderen stand nicht der Sinn danach, Richard herauszufordern. Sie wandten sich hilfesuchend an den Vogelmann. Er saß wie versteinert da. Ein Schweißtropfen perlte über seinen ledrigen Hals, das silbrige Haar hing schlaff auf den Wildlederschultern seiner Jacke. Zum ersten Mal sah er Richard für einen kurzen Augenblick in die Augen. Sein Mund verzog sich zu einem Lächeln. Er nickte schweigend vor sich hin.
»Richard mit dem Zorn.« Seine Stimme war voller Gleichmut und Kraft, denn nicht nur die Ältesten hörten zu, sondern auch die
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