Das erste Gesetz der Magie - 1
glatt durch sie hindurch.
Am liebsten wäre sie fortgerannt. »Ja.«
Richard legte das Stück Fleisch sorgfältig zurück. Das Lächeln erschien wieder auf seinen Lippen. Er sah die vier jungen Frauen an und legte die Arme um die beiden, die ihm am nächsten saßen, während er mit ihr sprach.
»Tu mir einen Gefallen, Kahlan. Geh und hole einen Apfel aus meinem Gepäck. Ich glaube, ich brauche etwas Vertrautes, um den Geschmack aus meinem Mund loszuwerden.«
»Du hast doch selber Beine«, fauchte sie ihn an.
»Ja. Aber ich brauche ein wenig Zeit, um mich der Frage zu widmen, bei welcher dieser wunderschönen jungen Frauen ich heute nacht liegen möchte.«
Sie erhob sich und warf dem Vogelmann einen wütenden Blick zu, dann stapfte sie zu Savidlins Haus davon. Sie war froh, Richard nicht mehr sehen zu müssen, nicht mehr mitansehen zu müssen, wie diese Mädchen ihn betasteten. Sie grub die Fingernägel in die Handflächen, doch das merkte sie nicht. All diese glücklichen Menschen. Die Tänzer tanzten, die Trommler trommelten, Kinder lachten. Leute wünschten ihr im Vorbeigehen alles Gute. Sie wollte, daß jemand ihr etwas Gemeines sagte, damit sie Grund hatte, ihn zu schlagen.
Als sie Savidlins Haus erreicht hatte, ging sie hinein, warf sich auf das auf dem Boden liegende Fell und versuchte vergeblich, nicht zu weinen. Nur ein paar Minuten, redete sie sich ein, mehr brauchte sie nicht, um sich wieder zu fassen. Richard tat doch bloß, was die Schlammenschen von ihm verlangten, was sie dem Vogelmann versprochen hatte. Sie hatte kein Recht, wütend zu sein, überhaupt keins. Richard gehörte ihr nicht. Sie weinte; der Schmerz saß tief. Sie hatte kein Recht, so zu empfinden. Kein Recht, wütend auf ihn zu sein. Trotzdem war sie es. Sie war außer sich.
Sie mußte daran denken, was sie dem Vogelmann erzählt hatte – all den Ärger, den sie selber verschuldet hatte, die Folgen, die sie tragen mußte, und wurde von Angst befallen.
Richard tat, was er tun mußte, um eine Versammlung zusammenzurufen, das Kästchen zu finden und Rahl Einhalt zu gebieten. Kahlan wischte sich die Tränen aus den Augen.
Aber wenigstens brauchte er nicht entzückt zu sein darüber. Er könnte es doch tun, ohne sich zu benehmen wie…
Wütend holte sie den Apfel aus seinem Gepäck. Was spielte es für eine Rolle. Sie konnte nichts daran ändern. Aber sie brauchte auch nicht glücklich darüber zu sein. Sie biß sich auf die Lippe, stapfte zur Tür hinaus und versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Wenigstens war es dunkel.
Den unangenehmen Teil der Zeremonie hatte sie hinter sich. Sie fand Richard mit nacktem Oberkörper vor. Die Mädchen bemalten ihn mit den Symbolen der Schlammenschen. Den Symbolen des Jägers. Mit den Fingern malten sie ihm mit schwarzem und weißem Schlamm zackige Linien auf seine Brust und Ringe auf seine Oberarme. Sie zögerten, als Kahlan mit Wut in den Augen bei ihnen auftauchte.
»Hier.« Sie drückte ihm den dämlichen Apfel in die Hand und setzte sich verärgert wieder hin.
»Ich habe mich immer noch nicht entscheiden können«, sagte er, während er den Apfel an seinem Hosenbein blankputzte und dabei von einem Mädchen zum anderen sah. »Kahlan, ziehst du ganz bestimmt kein Mädchen vor? Ich könnte deine Hilfe brauchen.« Er senkte bedeutungsschwer die Stimme, seine Gereiztheit kehrte zurück. »Ich bin überrascht, weil du mir keine ausgesucht hast.«
Sie sah ihn verblüfft an. Er wußte Bescheid. Er wußte, daß sie dieses Zugeständnis seinetwegen gemacht hatte. »Nein. Wie du dich auch entscheidest, es wird richtig sein. Bestimmt.« Sie sah wieder fort.
»Kahlan«, fragte er und wartete, bis sie sich wieder zu ihm umgedreht hatte, »ist eines der Mädchen mit einem der Ältesten verwandt?«
Sie besah sich noch einmal ihre Gesichter. »Die rechts von dir. Der Vogelmann ist ihr Onkel.«
»Ihr Onkel!« Sein Lächeln wurde breiter. Er polierte noch immer den Apfel an seinem Hosenbein. »Ich denke, dann werde ich sie auswählen. Für die Ältesten wird es ein Zeichen der Achtung sein, daß ich die Nichte des Vogelmannes wähle.«
Er nahm den Kopf des Mädchens in beide Hände und küßte sie auf die Stirn. Sie strahlte. Der Vogelmann strahlte. Die Ältesten strahlten ebenfalls. Die anderen Mädchen verschwanden.
Kahlan drehte sich kurz zum Vogelmann um, der sie voller Mitgefühl ansah, als wolle er sagen, wie leid es ihm tue. Sie drehte sich um, starrte gedankenverloren und gequält in die
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