Das erste Gesetz der Magie - 1
betrachtete ihn eine Weile, bevor er ihn fortwarf.
»Woher weißt du das?«
»Die Spinnweben.« Er sah den Hügel hinauf. »Jemand ist den Pfad hinaufgegangen und hat sie zerrissen. Die Spinnen hatten noch keine Zeit, neue zu spinnen, darum sind keine da.«
Kahlan runzelte verdutzt die Stirn. »Als ich vorging, waren überall Spinnweben. Alle zehn Schritte mußte ich sie mir aus dem Gesicht zupfen.«
»Genau das meine ich«, flüsterte er. »Den Teil des Pfades ist den ganzen Tag über niemand hinaufgegangen, aber seit der freien Fläche, die wir überquert haben, waren keine mehr zu sehen.«
»Wie ist das möglich?«
Er schüttelte den Kopf. »Weiß ich nicht. Entweder ist hinten bei der Lichtung jemand aus dem Wald gekommen und den Pfad hinaufgegangen, was recht mühsam ist.« Er sah ihr in die Augen. »Oder er ist aus dem Himmel gefallen. Mein Haus liegt hinter diesem Hügel. Halten wir die Augen offen.«
Richard führte sie vorsichtig die Steigung hinauf, dabei behielten sie den Wald im Auge. Am liebsten wäre er in die andere Richtung davongerannt, fort von hier, aber das war unmöglich. Niemals würde er ohne den Zahn davonlaufen, den ihm sein Vater zur Aufbewahrung anvertraut hatte.
Auf dem Kamm des Hügels gingen sie hinter einer dicken Fichte in die Hocke und blickten hinunter zum Haus. Die Fenster waren eingeschlagen, und die Tür, die er immer verschloß, stand offen. Seine Besitztümer lagen auf dem Boden verstreut.
Richard richtete sich auf. »Man hat es geplündert, genau wie das meines Vaters.«
Sie riß ihn an seinem Hemd zurück nach unten.
»Richard!« flüsterte sie alarmiert. »Vielleicht ist dein Vater ebenso nach Hause gekommen. Vielleicht ist er hineingegangen, wie du es eben tun wolltest, und sie haben nur auf ihn gewartet.«
Sie hatte natürlich recht. Er fuhr sich mit den Fingern durchs Haar und überlegte. Dann sah er wieder zum Haus. Die Rückseite war dicht am Waldrand, die Tür hingegen ging auf die Lichtung hinaus. Es war die einzige Tür. Jeder im Haus mußte annehmen, daß er durch sie hineinkommen würde. Dort würden sie warten, wenn sie drinnen waren.
»Also gut«, erwiderte er. »Aber ich muß etwas von drinnen holen. Ohne das gehe ich nicht. Wir können uns von hinten anschleichen, ich hole es raus, und dann verschwinden wir von hier.«
Richard hätte sie lieber nicht mitgenommen, wollte sie aber auch nicht allein auf dem Pfad warten lassen. Sie bahnten sich ihren Weg durch den Wald, durch das dichte Gestrüpp, umrundeten das Haus in weitem Bogen. Als er die Stelle erreicht hatte, von wo aus er sich der Rückseite nähern konnte, gab er ihr ein Zeichen zu warten. Er wollte nicht, daß sie erwischt wurde, falls jemand im Haus war.
Er ließ Kahlan unter einer Fichte zurück und näherte sich vorsichtig im Zickzack dem Haus, blieb auf Flächen mit weichen Nadeln, um nicht auf trockenes Laub zu treten. Endlich erblickte er das Schlafzimmerfenster. Er blieb still stehen und lauschte. Nicht das geringste war zu hören. Vorsichtig schritt er vorwärts. Unter seinen Füßen bewegte sich etwas. Eine Schlange wand sich an seinem Fuß vorbei. Er wartete, bis sie weg war.
An der verwitterten Rückseite des Hauses angekommen, legte er seine Hand vorsichtig auf den nackten, hölzernen Fensterrahmen und hob den Kopf weit genug, um hineinspähen zu können. Das Glas war größtenteils herausgebrochen, und er konnte das heillose Durcheinander sehen, das in seinem Schlafzimmer herrschte. Das Bettzeug war aufgeschlitzt. Wertvolle Bücher waren auseinandergerissen, ihre Seiten lagen verstreut auf dem Fußboden. Die Tür zum Wohnzimmer an der gegenüberliegenden Seite des Zimmers stand ein Stück offen, aber nicht weit genug, um dahinter etwas erkennen zu können. Wenn man keinen Keil darunterschob, klemmte die Tür immer an dieser Stelle. Langsam steckte er den Kopf durch das Fenster und blickte auf sein Bett. Unter dem Fenster befand sich der Bettpfosten, an dem sein Rucksack und das Lederband mit dem Zahn hingen – genau dort, wo er sie gelassen hatte. Er hob den Arm und wollte durch das Fenster hineingreifen.
Aus dem Wohnzimmer ertönte ein Knarren, ein Knarren, das er gut kannte. Er erstarrte vor Schreck. Das Knarren seines Sessels. Er hatte die Federn nie geölt, weil es irgendwie zum Sessel dazuzugehören schien und er es nicht über sich brachte, etwas daran zu verändern. Geräuschlos ließ er sich zurückfallen. Es bestand kein Zweifel. Im Wohnzimmer war jemand, und dieser
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