Das erste Gesetz der Magie - 1
Königreich. Wie mußten erst die Schlösser in den bedeutenderen Ländern aussehen!
Die Reiter hatten sie an der Brustwehr verlassen. Als sie vom Innern des Schlosses verschluckt wurden, marschierten die Fußsoldaten zu sechst nebeneinander, mit Platz für sechs weitere zu jeder Seite, durch das gewaltige, messingbeschlagene Portal, bevor sie sich zu beiden Seiten verteilten und die drei – Kahlan voran – allein weitergehen ließen.
Der Raum war gewaltig. Ein schimmerndes Meer aus schwarzem und weißem Marmor erstreckte sich vor ihnen. Polierte, geriffelte Säulen aus Stein, die so dick waren, daß zehn Menschen Hand in Hand sie gerade umarmen konnten, erhoben sich, umringt von aus Stein gehauenen Girlanden, in Reih und Glied zu beiden Seiten des Saales und stützten Reihe auf Reihe das zentrale Gewölbe der Decke. Richard kam sich so winzig vor wie eine Fliege.
Gewaltige Wandteppiche mit heroischen Darstellungen ausufernder Schlachten bedeckten die Wände zu beiden Seiten. Er hatte bereits Wandteppiche gesehen, auch sein Bruder besaß zwei. Richards Vater hatte eine Vorliebe für sie gehegt, und er hatte sie immer für einen Ausdruck von besonderem Luxus gehalten. Doch Michaels Wandteppiche verhielten sich zu diesen wie eine Zeichnung mit einem Stock im Staub zu einem eleganten Ölgemälde. Richard hatte nicht einmal gewußt, daß es derart majestätische Dinge überhaupt gab.
Zedd beugte sich ein wenig näher und flüsterte ihm etwas zu. »Hör auf, so herumzustieren, und mach den Mund wieder zu.«
Richard klappte gekränkt den Mund zu und richtete den Blick nach vorn. Er beugte sich zu Zedd vor und fragte ihn leise: »Das ist also Kahlans gewohnte Umgebung?«
»Nein«, höhnte Zedd. »Die Mutter Konfessor ist wesentlich Besseres gewöhnt.«
Richard war beeindruckt und richtete sich auf.
Vor ihnen lag eine riesige Freitreppe. Nach Richards Einschätzung hätte sein Haus bequem auf dem mittleren Absatz Platz gehabt. Marmorgeländer schwangen sich zu beiden Seiten hinauf. Zwischen ihnen und der Treppe wartete eine kleine Gruppe von Leuten.
Ganz vorne stand Königin Milena, eine wohlgenährte Frau in mehreren Lagen aus Seide in gräßlichen Farben. Sie trug ein Cape aus seltenem, geschecktem Fuchsfell. Ihr Haar war so lang wie Kahlans. Zuerst konnte Richard nicht sehen, was sie in der Hand hielt, aber als er das Kläffen hörte, erkannte er, daß es sich um einen kleinen Hund handelte.
Als sie näher kamen, sanken alle bis auf die Königin in tiefer Verbeugung auf ein Knie herab. Sie blieben stehen. Richard starrte die Königin unverhohlen an. Er hatte noch nie eine gesehen. Zedd verpaßte ihm einen Tritt von der Seite. Er ließ sich auf ein Knie fallen und senkte, Zedds Beispiel folgend, sein Haupt. Die beiden einzigen, die weder niederknieten noch sich verneigten, waren Kahlan und die Königin. Er war gerade unten, als sich alle wieder erhoben. Er war der letzte, der sich wieder aufgerichtet hatte. Die beiden Frauen brauchten sich offenbar nicht voreinander zu verbeugen.
Die Königin starrte Kahlan an, die erhobenen Hauptes ihren ruhigen Gesichtsausdruck beibehielt und die Königin keines Blickes würdigte. Niemand sprach ein Wort.
Ohne den Arm zu beugen oder die Hand zu strecken, hob Kahlan ihre Hand ein winziges Stück, so daß sie gerade mal ein paar Zentimeter von ihrem Körper entfernt war. Die Miene der Königin verfinsterte sich. Kahlans blieb unverändert. Hätte jemand mit der Wimper gezuckt, er hätte es gehört, dachte Richard. Die Königin drehte sich leicht zur Seite und drückte den Hund einem Mann in einem leuchtend grünen Ärmelwams, schwarzen, engen Strumpfhosen und gelbrot gestreiften Pantalons in die Hand. Hinter der Königin stand eine Schar von Männern in ähnlicher Aufmachung. Der Hund knurrte zornig und biß den Mann in die Hand. Der tat, was er konnte, um es nicht zu beachten.
Die Königin ließ sich vor Kahlan auf beide Knie fallen.
Sofort eilte ein junger Mann in schlichter, schwarzer Kleidung an die Seite der Königin. Er hielt ein Tablett vor seinem Körper. Er verneigte sich, den Kopf unfaßbar tief gebeugt, und hielt ihr das Tablett hin. Sie nahm ein kleines Handtuch vom Tablett, tauchte es in eine Silberschale mit Wasser und benetzte sich damit die Lippen. Sie legte das Handtuch zurück auf das Tablett.
Dann ergriff die Königin vorsichtig die Hand der Mutter Konfessor und küßte sie mit den frisch gereinigten Lippen.
»Treue allen Konfessoren, bei meiner Krone,
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