Das erste Gesetz der Magie - 1
sie mich um etwas gebeten hatte, was ich für sie tun konnte. Daran erinnere ich mich am besten, an das verzweifelte, panische Verlangen, das zu tun, was sie wollte, sie zufriedenzustellen und glücklich zu machen. Ich kannte keinen anderen Gedanken mehr, als ihr zu gefallen. In ihrer Gegenwart verspürte ich pure Wonne. Ich weinte vor Glück, in ihrer Nähe sein zu können.
Sie sagte mir, ich sollte die Wahrheit sagen, und ich war glücklich, denn das konnte ich. Ich sprach, so schnell ich könne, wollte ihr alles erzählen. Sie mußte mich ermahnen, langsamer zu sprechen, weil sie mich nicht verstand. Hätte ich ein Messer gehabt, ich hätte es gegen mich erhoben, wenn ich ihr mißfallen hätte. Dann meinte sie, es sei in Ordnung, und ich weinte, weil sie mit mir zufrieden war. Ich erzählte ihr, was geschehen war.« Er ließ ein wenig die Ohren hängen. »Ich erinnere mich, nachdem ich ihr erzählt hatte, daß ich den kleinen Jungen nicht umgebracht hatte, legte sie mir die Hand auf den Arm. Ich wäre fast vor Glück in Ohnmacht gefallen, und sie entschuldigte sich. Ich mißverstand. Ich dachte, es täte ihr leid, weil ich den Jungen nicht getötet hatte. Ich bat sie, mich einen anderen Jungen für sie töten zu lassen.« Dem Wolf liefen die Tränen aus den Augenwinkeln. »Dann erklärte sie mir den Irrtum. Und es täte ihr leid, weil ich unschuldig des Mordes angeklagt worden war. Ich weiß noch, wie ich geheult habe und gar nicht mehr aufhören konnte, weil sie so freundlich war. Ich tat ihr leid, sie sorgte sich um mich. Ich glaube, man könnte es Liebe nennen. Aber Worte sind so hohl, verglichen mit dem Verlangen nach ihrer Nähe.«
Richard stand auf. Nur mit Mühe konnte er sich dazu zwingen, Kahlan anzusehen. Sie weinte. »Vielen Dank, Brophy.« Er mußte einen Augenblick warten, weil er Angst hatte, seine Stimme würde versagen. »Es ist spät. Wir schlafen besser, morgen ist ein wichtiger Tag. Ich übernehme meine Wache. Gute Nacht.«
Brophy erhob sich. »Ihr drei schlaft. Ich stehe heute nacht Wache.«
Richard schluckte den Kloß in seinem Hals. »Ich weiß das zu schätzen, aber ich übernehme trotzdem meine Wache. Wenn du willst, kannst du mir den Rücken freihalten.«
Richard machte kehrt und wollte gehen.
»Richard«, rief Zedd ihm nach. Richard blieb stehen, ohne sich umzudrehen. »Was war das für ein Knochen, den dir dein Vater gegeben hat?«
Richards Gedanken rasten in panischer Angst. Bitte, Zedd, wenn du je eine meiner Lügen geglaubt hast, dann diese. »Du müßtest dich doch erinnern. So ein kleiner, runder. Du hast ihn doch gesehen, ich bin ganz sicher.«
»Oh. Ja, richtig. Gute Nacht.«
Das erste Gesetz der Magie. Danke, mein alter Freund, dachte er für sich, daß du mir beigebracht hast, wie ich Kahlans Leben beschützen kann.
Er ging hinaus in die Nacht. Sein Kopf pochte vor Schmerzen.
39. Kapitel
Die Stadt Tamarang war zu klein für die Menschenmassen, die hineindrängten, es waren einfach zu viele. Menschen strömten aus allen Richtungen herbei, suchten Schutz und Sicherheit, hatten das Land um die bebauten Viertel überschwemmt. Zelte und Hütten waren auf dem nackten Boden vor den Stadtmauern aus dem Boden geschossen und erstreckten sich bis in die Hügel. Am Morgen strömten die Menschen von den Hügeln in das improvisierte Marktviertel vor den Toren der Stadt. Menschen aus anderen Orten, Dörfern und Städten standen in planlos angelegten Straßen an windschiefen Ständen und verkauften, was immer sie zu bieten hatten. Straßenhändler boten alles feil von alten Kleidern bis hin zu elegantem Schmuck. An anderen Ständen stapelten sich Obst und Gemüse. Es gab Barbiere und Heiler und Wahrsager, Leute mit Papier, die Porträts zeichneten, oder Leute mit Egeln, die einem das Blut absaugen wollten. Überall wurden Wein und Schnaps verkauft. Trotz der Umstände ihrer Anwesenheit schienen die Menschen in festlicher Stimmung. Die scheinbare Sicherheit und der reiche Vorrat an Getränken, wie Richard vermutete. Überall wurde ausgiebig über die Wunder des Vater Rahl gesprochen. Inmitten kleiner Menschenaufläufe standen Erzähler und verkündeten die letzten Neuigkeiten, die neuesten Abscheulichkeiten. Das zerlumpte Volk stöhnte und wehklagte über die Grausamkeiten, begangen von Westländern. Rufe nach Rache wurden laut.
Richard entdeckte keine einzige Frau, deren Haar weiter als bis zum Kinn reichte.
Das eigentliche Schloß lag auf der Spitze eines steilen Hügels
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