Das erste Gesetz der Magie - 1
war völlig demoliert. Das Dach war verschwunden, als wäre es fortgesprengt worden, der Himmel war zu sehen, das Sonnenlicht fiel hinein. Nur ein paar nackte Balken waren übriggeblieben. Von einem der Balken baumelte ein Strick.
An seinem Ende hing Gillers nackter Leichnam, leicht schaukelnd, verkehrt herum. Man hatte ihm einen Fleischerhaken durch den Knöchel getrieben. Ohne das offene Dach wäre der Gestank nicht auszuhalten gewesen.
Zedd übergab Siddin an Kahlan und begann, die Leiche ignorierend, langsam in dem kreisrunden Raum umherzugehen, das Gesicht nachdenklich in Falten gelegt. Gelegentlich blieb er stehen, berührte Möbelsplitter, die in die Wand getrieben worden waren, als wäre der Stein aus Butter.
Richard stand wie gelähmt da und starrte auf Gillers toten Körper.
»Richard, komm und sieh dir das an«, rief Zedd.
Der Zauberer streckte die Hand aus und fuhr mit dem Finger durch eine rußige, schwarze Stelle in der Wand. Genaugenommen waren es zwei. Sie befanden sich dicht nebeneinander. Zwei verkohlte Stellen in der Gestalt zweier Männer in Hab-acht-Stellung – so als wären sie gegangen und hätten ihre Schatten zurückgelassen. Dicht über ihrem Ellenbogen hatte sich anstelle des schwarzen Flecks ein Streifen goldfarbenen Metalls in den Mauerstein gebrannt.
Zedd drehte sich um und sah ihn fragend an. »Zaubererfeuer.«
Richard konnte es nicht fassen. »Soll das heißen, das sind Männer gewesen?«
Zedd nickte. »Er hat sie glatt in die Wand eingebrannt.« Er zerrieb die rußige Schmiere mit den Fingerspitzen und lächelte. »Aber das hier war mehr als einfaches Zaubererfeuer.« Richard runzelte die Stirn. Zedd zeigte auf den schwarzen Flecken an der Wand. »Probier mal.«
»Wozu?«
Zedd klopfte Richard mit den Knöcheln auf den Schädel. »Damit du etwas lernst.«
Richard verzog das Gesicht, als er wie Zedd mit dem Finger durch die schwarze Schmiere fuhr. »Es schmeckt süß!«
Zedd grinste selbstgefällig. »Das hier ist mehr als nur schlichtes Zaubererfeuer. Giller hat seine ganze Lebensenergie hineingesteckt. Er hat sein Leben für das Feuer geopfert. Das hier, das war das Lebensfeuer eines Zauberers.«
»Er ist dabei gestorben, als er dieses Zaubererfeuer entfacht hat?«
»Genau. Und es schmeckt süß. Das bedeutet, daß er sein Leben geopfert hat, um ein anderes zu retten. Hätte er es nur für sich getan, zum Beispiel um sich die Folter zu ersparen, würde es bitter schmecken. Giller hat es für jemand anderes getan.«
Zedd blieb vor Gillers Leiche stehen, verscheuchte die Fliegen, drehte den Kopf verkehrt herum, um besser sehen zu können. Mit einem Finger schob er einen knotigen Darm zur Seite, damit er Gillers Gesicht sehen konnte. Er richtete sich auf.
»Er hat eine Nachricht hinterlassen.«
»Eine Nachricht?« fragte Kahlan. »Was für eine Nachricht?«
»Auf seinem Gesicht liegt ein Lächeln. Ein Lächeln, gefroren im Tod, das jedem, der sich in diesen Dingen auskennt, verrät, daß er nicht preisgegeben hat, was man von ihm verlangte.« Richard kam näher, als Zedd auf den Schnitt quer über den Unterleib zeigte. »Siehst du, wie dieser Schnitt verläuft? Das hat jemand getan, der den Anthropomanzie-Zauber praktiziert, also Antworten aus der Untersuchung lebender Eingeweide bekommt. Darken Rahl führt seinen Schnitt ganz ähnlich aus wie sein Vater.«
Richard mußte an seinen eigenen Vater denken und daß Rahl ihm genau dies angetan hatte.
»Bist du sicher, es war Darken Rahl?« wollte Kahlan wissen.
Zedd zuckte mit den Achseln. »Wer sonst? Darken Rahl ist der einzige, dem ein Zaubererfeuer nichts anhaben kann. Außerdem ist dieser Schnitt seine Unterschrift. Sieh her. Siehst du das Ende der Wunde? Siehst du, wie sie hier abknickt?«
Kahlan mußte den Blick abwenden. »Und?«
»Das ist der Haken. Sollte er zumindest sein. Er muß in einem spitzen Winkel zurücklaufen. Der Haken wird geschnitten, während die Zauberformeln gesprochen werden, und er verbindet den Fragenden mit dem Befragten. Der Haken zwingt sie, die Antwort auf die gestellte Frage preiszugeben. Aber siehst du das hier? Der Haken wurde begonnen, aber nicht zu Ende geführt.« Zedd lächelte traurig. »In diesem Augenblick hat Giller sein Leben dem Feuer geopfert. Er hat gewartet, bis Rahl fast fertig war, dann, im allerletzten Augenblick, hat er ihm versagt, was er wissen wollte. Vermutlich den Namen desjenigen, der das Kästchen hat. Ohne Leben waren die Eingeweide wertlos für
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