Das erste Gesetz der Magie - 1
nach Westland geflogen?«
Sie nickte. »Mehrere Male.«
»Wohin hast du ihn gebracht?«
»Zu einem Haus, größer als alle anderen. Es war aus weißen Steinen, mit einem Schieferdach. Einmal habe ich ihn zu einem anderen Haus gebracht. Einem einfachen Haus. Dort hat er einen Mann getötet. Ich habe die Schreie gehört. Und dann noch einmal zu einem anderen einfachen Haus.«
Michaels Haus, das seines Vaters und sein eigenes.
Das zu hören tat weh. Richard starrte auf seine Füße und nickte. »Danke, Scarlet.« Er schluckte den Kloß in seinem Hals hinunter und sah zu ihr hoch. »Sollte Darken Rahl jemals wieder versuchen, dich zu beherrschen, dann hoffe ich, daß wenigstens dein kleiner Drache in Sicherheit ist und du bis zum Tod kämpfen kannst. Du bist zu erhaben, um von jemandem beherrscht zu werden.«
Mit einem Grinsen stieg Scarlet auf in die Lüfte. Richard sah ihr nach, als sie oben kreisend auf ihn herabblickte. Dann schwenkte ihr Kopf nach Westen, und der Rest folgte. Richard sah ihr noch ein paar Minuten nach. Sie wurde kleiner und kleiner. Dann drehte er sich zum Palast um.
Richard musterte die Wachen vor einem der Eingänge und bereitete sich auf einen Kampf vor, doch sie nickten ihm nur höflich zu. Er war ein zurückkehrender Gast. Die riesigen Hallen schluckten ihn.
Er wußte in etwa, wo sich der Wintergarten befand, in dem Darken Rahl die Kästchen aufbewahrte, und diese Richtung schlug er ein. Lange Zeit erkannte er die Hallen nicht wieder, doch nach einer Weile sahen einige bekannt aus. Er erkannte die Bögen und Säulen, die Stätten der Andacht. Er durchquerte den Korridor, an dem sich Dennas Quartier befand.
Er war in Gedanken wie benommen von der überwältigenden Entscheidung, die er getroffen hatte. Schon die Vorstellung, derjenige zu sein, welcher Darken Rahl die Macht der Ordnung überlassen würde, war überwältigend. Er wußte, daß er Kahlan dadurch vor einem schlimmeren Schicksal und viele andere vor dem Tod bewahrte, trotzdem kam er sich vor wie ein Verräter. Wie schön wäre es gewesen, wenn irgend jemand anderes Darken Rahl helfen könnte. Aber das war nicht möglich. Nur er allein befand sich im Besitz der Antworten, die Rahl brauchte.
An der Gebetsstätte mit dem kleinen Teich machte er halt, starrte auf das kräuselnde Wasser und beobachtete die Fische, die durch das Wasser glitten. Kämpfe mit allem, was du hast, hatte Scarlet gesagt. Was konnte er dadurch gewinnen? Was konnte überhaupt jemand dadurch gewinnen? Am Ende wäre es das gleiche oder schlimmer. Sein eigenes Leben durfte er aufs Spiel setzen, aber nicht das aller anderen. Und Kahlans schon gar nicht. Er war gekommen, um Darken Rahl zu helfen, und genau das mußte er tun. Sein Entschluß war gefaßt.
Die Glocke schlug zum Gebet. Richard beobachtete, wie sich die Menschen ringsum sammelten, sich verneigten und ihren Gesang anstimmten. Zwei Mord-Sith in roter Lederkleidung kamen herbei, blieben stehen und musterten ihn. Jetzt nur keinen Ärger. Er kniete nieder, berührte mit der Stirn die Steinplatten und stimmte seine Gebete an. Da er seinen Beschluß bereits gefaßt hatte, gab es keinen Grund zum Nachdenken, und er entließ seinen Verstand in die Leere. »Führe uns, Meister Rahl. Lehre uns, Meister Rahl. In deinem Licht werden wir gedeihen. Deine Gnade gebe uns Schutz. Deine Weisheit beschämt uns. Wir leben nur, um zu dienen. Unser Leben gehört dir.«
Immer wieder sang er die Worte, ließ sich vollkommen gehen, ließ seine Sorgen los. Er wurde ruhig im Geist, fand den Frieden in seinem Innern und wurde eins mit ihm.
Ein Gedanke ließ ihm die Worte in der Kehle stocken.
Wenn er schon ein Gebet sprach, dann eines, daß ihm etwas bedeutete. Er veränderte den Text.
»Führe mich, Kahlan. Lehre mich, Kahlan. Kahlan, beschütze mich. In deinem Licht werde ich gedeihen. Deine Gnade gebe mir Schutz. Deine Weisheit beschämt mich. Ich lebe nur, dich zu lieben. Mein Leben gehört dir.«
Die Erkenntnis war wie ein Schock. Plötzlich hockte er mit aufgerissenen Augen auf seinen Hacken.
Er wußte, was er zu tun hatte.
Zedd hatte es ihm gesagt, er hatte ihm klargemacht, die meisten der Dinge, die die Menschen glaubten, seien falsch. Das erste Gesetz der Magie. Er war lange genug der Narr gewesen, hatte lange genug auf andere gehört. Er war nicht länger bereit, der Wahrheit aus dem Weg zu gehen. Sein Gesicht verzog sich zu einem Lächeln.
Er stand auf. Er war von ganzem Herzen überzeugt. Aufgeregt machte er
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