Das Erste Horn: Das Geheimnis von Askir 1 (German Edition)
aber auf, als Janos einem seiner Männer einen Hieb in den Nacken versetzte, der diesen beinahe aus seinem Stuhl warf.
Es wurde still genug, dass ich ihn verstehen konnte.
»Wartet einfach«, hörte ich ihn sagen. »Es wird genug Zeit für alles sein, man muss sich nicht jetzt schon wie eine tollwütige Töle aufführen.«
Der niedergeschlagene Mann brummte etwas; was es war, konnte ich nicht verstehen, aber Janos war mit einem Satz bei ihm, und sein Stuhl flog mit lautem Poltern nach hinten weg. In Janos’ Hand glänzte kalter Stahl, und bevor der andere Bandit reagieren konnte, spürte er die Spitze von Janos’ Dolch an seinem Hals.
»Warte, bis du dran bist. Du bekommst das, was übrig bleibt, oder such dir deine eigene Unterhaltung. Es gibt genug Auswahl. Verstanden?« Während Janos sprach, schnitt er dem Mann am Hals entlang. Dieselbe Spur zog man, wenn man einem die Kehle durchschnitt, aber Janos schnitt nur so viel, dass etwas Blut floss und nichts weiter geschah.
Der Bandit nickte hastig, woraufhin Janos ihn zurückstieß und dann von ihm abließ, während der Mann mit beiden Händen seinen Hals betastete, als ob er fühlen wolle, ob er ihn noch besaß, um dann eilig nach seinem Wein zu greifen. Janos ließ sich wieder nieder. Es herrschte Schweigen, keinem war dieses kleine Zwischenspiel entgangen, mehr als ein Gast hielt sich selbst ebenfalls den Hals, als ob ein jeder spüren könnte, wie das eigene Blut herunterrann.
Janos sah sich um, lachte laut und sagte etwas, das ich nicht verstehen konnte, und alle anderen Banditen fielen in sein Gelächter ein, auch der soeben verletzte. Sieglinde verstand wohl, was gesprochen wurde, denn sie wurde bleich, ihr Blick suchte und fand den meinen. Vorhin hatte auch ich kurz gedacht, sie hätte selbst Gefallen an dem Spiel gefunden, doch nun sah ich, dass sie noch immer Angst hatte, die sie nur gut zu verbergen verstand.
Ich versuchte sie mit meinen Augen so gut aufzumuntern wie möglich, aber es half wohl nicht viel, denn sie schenkte mir nur ein tapferes Lächeln und schluckte.
Dann war auch schon der Wirt zurück und reichte ihr eine kleine Geige hoch, kaum größer als zwei Hände, mit einem normal großen Bogen.
Sie nahm das Instrument vorsichtig auf.
»Dies …«, sagte sie, und der Gasthof wurde ruhiger, sogar die Banditen mäßigten sich. Obwohl sie nun schon ein paar Minuten dort gestanden hatte, schien man überrascht, dass sie nun etwas zu sagen hatte.
Sie schluckte. »Dies ist die Geige meiner Mutter. Sie ist schon lange in unserem Besitz, sehr lange. Vor vielen Jahren, es mögen vielleicht sogar zwei Jahrhunderte sein, ging meine Ahnin in einen Wald nicht weit von hier, um Blumen zu sammeln. Als sie sich dort einer Wiese näherte, auf der die schönsten Blumen blühten, sah sie einen Fuchs vor einem hohlen Baumstamm lauern. Und aus diesem Baumstamm hörte sie eine wunderschöne, aber kindlich klingende Stimme, die versuchte, Gevatter Fuchs dazu zu bewegen, doch endlich von ihr abzulassen. Neugierig geworden, begab sich meine Ahnin zu dem hohlen Stumpf, sah darin nicht ein Kind, sondern eine Frau, erwachsen, aber nicht viel höher als vier Hände. Sie trug ein seltsam glitzerndes Kleid, war wunderschön und hatte Augen, so klar und grün wie edle Steine. Der Fuchs knurrte auch meine Ahnin an, die selbst kaum mehr als ein Mädchen war, aber es war nur ein Fuchs, und so sammelte sie ein paar Steine und warf diese so lange nach ihm, bis er sich davonmachte, nicht ohne sie noch einmal anzuknurren. Die Frau im Baum kletterte erleichtert heraus. Sie sagte zu meiner Ahnin, in einer Stimme so klar wie eine gläserne Glocke, sie wolle ihr danken. Sie dürfe sich nun etwas wünschen. Meine Ahnin wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie hatte von den Feen gehört, wohl nicht mehr oder weniger als wir heute, und wusste, dass so etwas oft ein übler Spaß war. Die Fee konnte sie beruhigen. Es wäre ihr ernst mit den Wünschen. Aber die Ahnin war ein glückliches Kind, ihr fiel nichts ein, was sie sich wünschen könnte, denn die Fee erklärte ihr, es müsse ein Wunsch für sie selbst sein. Die Ahnin war ratlos, aber es gab etwas, was ihr gefiel. Die Augen der Fee, das Grün darin. Solche Augen hätte sie auch gerne. Die Fee lachte und sagte, das wäre wohl der kleinste der Wünsche, und strich mit ihrer Hand über die Augen meiner Ahnin. Einmal im Jahr, unter bestimmten Umständen, würde sie die Augen einer Fee haben, dann, wenn es ihr am meisten nützte.
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