Das Erste Horn: Das Geheimnis von Askir 1 (German Edition)
tatsächlich unser Werwolf war.«
»Wie das?«
»Es scheint so, dass, wenn man lange in der Mine arbeitet, sich der Geist der Berge in den Kindern der Arbeiter niederschlägt, sie mit kleinen Dingen zeichnet. Zum Beispiel so etwas wie zusätzliche Fußzehen. Oder Augen, die von unterschiedlicher Farbe sind. Unser Bergarbeiter dort drüben heißt Simon, sein Bruder, der Werwolf, dem du vorhin das Leben genommen hast, hieß Matkor.«
»In Ordnung. Simon und Matkor.« Der Braten war vorzüglich, und mittlerweile hatte ich mich an die Gabel so gewöhnt, dass es mir tatsächlich leichter erschien, mit ihr zu essen. Leandra verzog etwas das Gesicht, als ich ein größeres Stück abschnitt und in den Mund schob.
»Du frisst wie ein Tier, Ser.«
Ich warf ihr einen Blick zu. »Ich habe auch Hunger wie ein Wolf. Wenn wir das nächste Mal gemeinsam am Hof speisen, kannst du mich maßregeln. Jetzt aber will ich darauf gerne verzichten. Was ist mit den Brüdern?«
»Ein unglücklicher Vergleich, das mit dem Wolf.« Sie sah meinen Blick und beeilte sich fortzufahren. »Simon sowie Matkor sind in vierter Generation Bergleute. Beide haben einen zusätzlichen kleinen Zeh am linken Fuß. Der Werwolf auch.«
Irgendwie hatte ich nicht wirklich damit gerechnet, dass unser Werwolf ein Bergarbeiter war. Das passte aus irgendeinem Grund nicht so ganz.
»Simon erzählte mir, dass er und Matkor seit Jahren zusammenlebten und -arbeiteten. Ich habe ihn zu dem Werwolf gebracht, er hat sich auch den Schädel angesehen, und er erkannte nach einigem Zögern seinen Bruder wieder. Aber er sagt, es sei unmöglich, dass er ein Werwolf wäre, alldem zum Trotz. Und, was wichtiger ist, sein Bruder habe in der Nacht, als der Stalljunge ermordet wurde, sein Lager nicht verlassen!«
»Glaubst du ihm?«
»Ich erzählte dir doch von einem Zauber, der mir erlaubt herauszufinden, ob jemand die Wahrheit spricht oder nicht. Simon war einverstanden, eine Grundbedingung des Zaubers, und so weiß ich nun, dass seine Worte wahr sind.«
»Oder er sie nur für wahr hält.« Ich matschte die Kartoffeln klein und tunkte sie in die Soße. Lea rümpfte die Nase.
»Schmeckt mir so besser«, sagte ich, natürlich mit vollem Mund.
»Wo hast du denn essen gelernt?«
»Zusammen mit den Schweinen.« Sie sah mich überrascht an. Diesmal kaute ich fertig. »Es ist die Wahrheit, ich aß das, was die Schweine übrig ließen.«
Sie wollte etwas sagen, aber ich hob die Hand, zusammen mit der Gabel und dem nächsten Bissen. »Es ist eine alte und lange Geschichte, ich erzähle sie dir ein anderes Mal. Fahr fort.«
Sie kämpfte kurz mit sich und tat dann wie geheißen. »Du hast bei dem Werwolf diese schwere silberne Kette gefunden, nicht wahr?« Sie ließ die Kette auf den Tisch fallen.
Ich musterte das Schmuckstück, irgendjemand hatte das durchtrennte Kettenglied repariert. Ich hob es an, ließ es durch meine Finger gleiten und fand keine Spuren der Arbeit. Die Kette schien, als wäre sie nie beschädigt worden.
»Hat sie sich selbst wieder repariert?« Bei alldem, was ich in den letzten Tagen gesehen hatte, wäre dies etwas gewesen, was mir wirklich unheimlich erschien.
»Nein, das war ich.«
»Du hast verborgene Talente.«
»Ein weiterer kleiner Zauber.«
Ich hatte schon das eine oder andere Mal das zweifelhafte Vergnügen gehabt, Maestros kennen zu lernen, selten erschienen sie mir praktisch begabt. Leandra hier beherrschte dagegen fast nur praktische Zauber. »Gut, du hast die Kette also wieder repariert. Was ist damit?«
»Diese Kette ist alt und aus massivem Silber. Heb sie hoch, sie wiegt fast ein Pfund.« Es war nicht nötig, sie hochzuheben, ich erinnerte mich noch zu gut an ihr Gewicht. Ich wunderte mich ein wenig, dass ich nicht wach geworden war, als sie die Kette aus meiner Tasche genommen hatte.
»Diese Kette ist ein Vermögen wert«, fuhr sie fort. »Und Simon sagte, er habe sie niemals zuvor bei seinem Bruder gesehen.«
Ich forderte sie mit einer wedelnden Handbewegung auf, weiterzumachen. Ich hatte den Mund voll.
»Der Anhänger ist ein Wolfskopf. Erscheint es dir nicht auch so, als ob diese Kette etwas mit dem Werwolf zu tun haben könnte?«
Ich nickte bloß und kaute weiter.
»Das glaube ich auch. Nach dem Gespräch mit Simon wollte ich etwas in Erfahrung bringen und fand meine Vermutung sofort bestätigt.«
Ich schluckte, nahm etwas Wein und schaute sie fragend an.
»Es liegt starke Magie auf diesem Talisman, denn nichts anderes ist
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