Das Erste Horn: Das Geheimnis von Askir 1 (German Edition)
es. Legt jemand die Kette um, wird er zum Wolf. Ich zeige es dir, wenn du fertig gegessen hast.« Sie sah sich um. »Aber nicht hier.«
»Du willst behaupten, dass diese Kette etwas mit Matkors Werwolfdasein zu tun hat, dass sie ihn zum Wolf gemacht hat?«
»Genau das, ja. Wahrscheinlich hat jemand sie ihm umgelegt, um Verwirrung zu stiften, Furcht zu säen oder die eigenen Spuren zu verwischen. Oder alles gleichzeitig.«
Auch wenn ich mir nicht vorstellen konnte, wie das denn sein mochte, nahm ich es vorerst hin. Wenn sie es mir später zeigen würde, würde das wahrscheinlich auch die Fragen beantworten, die ihre Worte aufwarfen.
»Gut.« Ich sah auf meine Platte hinab. Lange würde es nicht mehr dauern, bis ich sie leer hatte. Selten hatte mir ein Mahl so gut gemundet, aber ich kam mir immer noch vor, als hätte ich eine Woche lang nichts gegessen.
Sie sah mir einen Moment zu, wie ich aß, dann musterte sie eingehend mein Gesicht. »Der Schlaf hat dir gut getan, Havald. Du siehst sehr erholt aus.« Sie zögerte, als wollte sie etwas hinzufügen, unterließ es aber. Ich wusste, was sie sah, aber noch nicht recht glauben wollte. Morgen würde es jeder erkennen. Aber was morgen sein würde, konnte auch bis morgen warten.
27. Die Balance der Magie
»Was hast du außerdem herausgefunden?«, fragte ich die Maestra und tippte auf das alte Buch, das vor ihr auf dem Tisch lag.
»Vieles von dem, was hier geschrieben steht, ist für uns nicht von Interesse«, antwortete sie. »Zahlen, Soldlisten, Marschbefehle. Aber ich weiß nun, was hier geschah. Ich werde es dir erzählen, auch wenn ich weit ausholen muss. Nur so viel sei vorab gesagt: Das alte Imperium hat diesen Ort hier mit Bedacht gewählt. Ich hätte es wissen müssen, hätte es erkennen sollen, hätte ich bloß daran gedacht, danach zu schauen.« Sie beugte sich vor. »Seitdem ich hier bin, sind meine Kräfte gewachsen.« Sie sah mich so bedeutungsvoll an, dass ich sofort verstand, worauf sie hinauswollte.
»Hat es mit dem Ort hier zu tun?«
»Ja. Kennst du die Gesetze des Gleichgewichts der Magie?«
»Ich habe davon gehört. Nichts kann verschwinden, und nichts wird erschaffen. Magie ist Manipulation, Umformung.«
Sie nickte. »Wir Maestros wandeln das eine in das andere. Manchmal muss man, um etwas zu schaffen, es in eine Rohform umwandeln. Es ist wie eine reine Kraft, wir nennen das Energie.«
»Was ist Energie?«
Sie legte die Stirn in Furchen. »Ich habe ein einfaches Beispiel für dich. Wenn du einen Stein in die Luft wirfst, gibst du ihm mit deiner Kraft eine Energie mit, den Schwung. Ist er aufgebraucht, fällt der Stein wieder und holt sich auf dem Rückweg den Schwung zurück, um mit Wucht auf dem Boden aufzuschlagen.«
Wie ich einen Stein warf, wusste ich, wenn sie das Energie nannte, in Ordnung. Ich nickte.
»Wenn ich nun diese Energie buchstäblich zur Verfügung habe, sozusagen den Schwung ohne den Stein, ist es einfacher, damit Magie zu wirken.«
Ja, das leuchtete mir ein.
»Energie ist in allem, was sich bewegt, und alles bewegt sich. Leben selbst ist Energie, manche sagen, es sei die stärkste Form überhaupt.«
»Deshalb hört man in den Legenden immer wieder, dass es Magie gäbe, die im Augenblick des Todes entsteht und so am mächtigsten ist, weil sie die Energie des nicht gelebten Lebens beinhaltet.«
Leandra sah mich überrascht an, dann nickte sie zustimmend. »Ja, so ist es. Aber Energie ist in allem, ist überall im Gleichgewicht. Das liegt daran, dass alles miteinander verbunden ist, wie in einem feinen Netz miteinander verwoben.«
Ich wischte die Bratensoße mit dem letzten Stück Brot auf und schob dann die Platte von mir. »Erzähl weiter.«
»Es gibt Orte, an denen diese Energie stärker fließt als an anderen. Besitzt jemand die Gabe zur Magie, kann er dies nicht nur sehen, sondern die Energie auch manipulieren, damit etwas erschaffen. Du weißt, dass ich die Energie für einen Zauber aus der Umgebung entziehe, zur Not auch mir selbst, meinem Leben sozusagen.«
»Ein Zauber, der misslingt, kann dich also Lebensjahre kosten?«, fragte ich vorsichtig.
»Ich befürchte, für den Wärmezauber gestern Abend sind Jahre meines Lebens draufgegangen. Er … er missriet ein wenig.«
Ich musterte sie sorgfältig, konnte allerdings nichts erkennen. Sie war genauso schön und jung wie gestern.
Sie sah meinen Blick und lächelte leicht, legte ihre Hand beruhigend auf meine. »In meinen Adern fließt nicht nur ein wenig
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