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Das erste Jahr ihrer Ehe

Das erste Jahr ihrer Ehe

Titel: Das erste Jahr ihrer Ehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Shreve
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gleichzeitig Elastisches, das bequem war und sich dem Fuß anpasste. Der schlanke junge Verkäufer schnalzte mit den Fingern. Ein afrikanischer Mitarbeiter kam mit einem Messgerät. Sie zog ihren staubbedeckten Fuß aus der Sandale.
    »Kann ich vielleicht ein Tuch haben?«, fragte sie.
    Die Bitte war offenbar nicht ungewöhnlich. Auf einem Messingtablett wurden ihr zwei Tücher gebracht, eines feucht und eines trocken. Nachdem sie ihren Fuß gesäubert hatte, verschwand der Afrikaner, und der englische Verkäufer schob ihren Fuß behutsam in das Messgerät. Die Hand an ihrer Ferse und ihrer Sohle hatte etwas Wohltuendes. Er bat sie, aufzustehen, und nahm ihre Maße auf, Zahlen, deren Bedeutung sie nicht verstand. Dann wurde sie gebeten, sich wieder zu setzen und einen Moment zu gedulden. Der Mann kam mit einem Paar seidener Socken zurück, die er Margaret achtsam über die Füße zog. Es war wie eine kurze Massage, und sie überlegte schon, ob sie nicht noch ein zweites Paar Schuhe brauchte. Das Lammfellfutter der Stiefel umhüllte weich ihr Bein bis zur Wadenmitte. Geduldig zog der Verkäufer die Senkel fest und schnürte sie. Der zweite Stiefel folgte.
    »Jetzt gehen Sie mal eine Weile im Laden herum«, meinte der Verkäufer. »Lassen Sie sich Zeit. Es ist ganz wichtig, dass der Schuh bei einer Bergwanderung richtig sitzt.«
    Margaret hatte das Gefühl, auf Wolken zu gehen, als sie durch die schmalen Gänge des Ladens schritt. Sie glaubte nicht, dass sie je ein bequemeres Paar Schuhe besessen hatte. Einmal bückte sie sich, um das weiche Leder zu berühren, und als sie sich wieder aufrichtete, lächelte der Verkäufer.
    »Sie sind wunderbar«, sagte sie.
    »Sie haben feste Sohlen und sind um die Knöchel stabil. In denen kommen Sie den Mount Kenya leicht hinauf und wieder hinunter.«
    Margaret nickte kurz.
    »Sie haben gar keine Lust auf die Tour, stimmt’s?«
    Sie war überrascht. »Ja, stimmt.«
    »Sie haben sich dazu überreden lassen.«
    »So ungefähr.«
    »Keine Angst, es wird schon klappen. Das reine Honigschlecken wird es sicher nicht, aber irgendwann ist es vorbei, und dann haben Sie es geschafft und können es vergessen.«
    »Woran haben Sie gemerkt, dass ich die Tour lieber nicht machen würde?«
    »Zu uns kommen oft Frauen, die Wanderstiefel suchen. Ihre Gesichter verraten alle mehr oder weniger das Gleiche.«
    »Was denn?«
    »Furcht.«
    Er half ihr aus den Stiefeln und den Socken, und Margaret hatte das Gefühl, ihre Füße wären in kaltes Wasser getaucht worden. Als sie zum Verkaufstisch trat, reichte ihr der Verkäufer ein Blatt mit graviertem Briefkopf, auf dem der Preis diskret mit Bleistift vermerkt war. Warum Bleistift? Erwartete man, dass sie handeln würde? Sie musste schlucken, als sie den Betrag sah, aber sie schrieb den Scheck ohne Zögern aus. Patrick würde es verstehen.
    Der Verkäufer kam mit dem Paket, in dem wohlverpackt und verschnürt die Stiefel lagen, um den Tisch herum.
    »Es war mir ein Vergnügen«, sagte er und verneigte sich knapp.
    »Danke.«
    »Sind Sie im Urlaub hier?«
    »Mein Mann ist am Nairobi Hospital beschäftigt.«
    Der Verkäufer lächelte. »Dann hoffe ich, dass Sie oder Ihr Gatte uns wieder beehren werden.«
    »Das kann gut sein.«
    Margaret war schon fast zur Tür hinaus, als sie sich entschloss.
    »Heißen Sie Tommy?«
    Der Verkäufer war sichtlich überrascht. »Ja.«
    »Arthur hat mich hergeschickt«, sagte sie.
    Margaret ging zum Crystal Ice Cream zurück und bestellte zwei vegetarische Samosas und eine Fanta. Mit den Samosas auf einem Pappteller setzte sie sich an einen kleinen Tisch mit roter Resopalplatte. Am Nebentisch saßen zwei Asiaten – Pakistanis oder Inder –, die das Mark aus abgenagten Hühnerknochen saugten und dann die Knochen selbst verspeisten.
    Sie brachte ihren Teller zum Tresen zurück und ließ sich einen Becher Eiscreme geben. Einer der Asiaten schaute sie an, als sie sich wieder an ihren Tisch setzte. Als wäre etwas Ungewöhnliches daran, eine erwachsene Frau Eis essen zu sehen. Na ja, in einer Stadt, in der so viele unterschiedliche Kulturen vertreten waren, dauerte es wahrscheinlich Jahre, bis man lernte, was Sitte war und was nicht. Als sie das Bananen-Kokos-Eis auf ihre Zunge gleiten ließ, wusste sie sofort, dass in der Mischung nicht ein Hauch Sahne enthalten war. Die Bezeichnung Crystal nahm neue Bedeutung an.
    Als sie später zu der Stelle zurückkam, wo sie ihren Wagen stehen gelassen hatte, stellte sie erschrocken fest,

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